Johns Jorun B.
*1929, Wien
Literaturwissenschafterin, Germanistin und Verlegerin
Ihre Eltern waren der Arzt Dr. Eugen Milch (gest. 1958) und die Malerin und Graphikerin Dr. Emma Bormann (1887-1974). Ihr Großvater war Dr. Eugen Bormann (1842-1917), Univ.-Prof. für Alte Geschichte und Epigraphik an der Universität Wien; nach seiner akademischen Karriere in Deutschland war er ab 1885 in Wien und ab 1900 in Klosterneuburg in der Buchberggasse 41 (heute 33) ansässig, wo J.B.J. noch immer Österreichaufenthalte verbringt. J.B.J. hatte eine ältere Schwester, Uta verehel. Schreck (1925-2009).
Da der Vater jüdischer Abstammung war, reiste er 1937 nach China, wo er in einem Krankenhaus einer privaten Mission in Pakhoi, Provinz Kanton tätig war; als die Mutter nach dem „Anschluss“ erfuhr, dass auch ihr Name auf der schwarzen Liste der Nationalsozialisten stand, folgte sie ihm 1939 mit den beiden Töchtern. Sie kam am 25.8.1939 in Honkong an, wo sie einige Zeit blieb und ihre Tochter J. einschulte, bevor sie nach Pakhoi weiterreiste. Dort erhielten die Töchter Privatunterricht von einer Nurse aus dem französischen Spital und lernten gemeinsam mit der Mutter bei der Oberschwester des Po Yan Spitals Chinesisch. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor schloss das Spital und 1942 gelangte die Familie auf einer abenteuerlichen Flucht vor den Japanern mit Schubkarren und Dschunken nach Kanton und zu Schiff weiter nach Shanghai. Der Vater reiste ins Inland weiter, war 1944 in Fukien und danach als Schiffsarzt tätig und hatte nur mehr gelegentlich Kontakt mit seiner Frau; J.B.J. sah ihn im Alter von 12 Jahren zum letzten Mal. Die Mutter Emma Bormann blieb mit den Töchtern in Shanghai, wo sie Unterkunft in einem Heim für deutsche Flüchtlingsfrauen aus Indonesien fand und allmählich mit ihrer künstlerischen Arbeit Erfolg hatte. Der Sinologe und Staatsrechtler Erwin Reifler erteilte den beiden Mädchen Unterricht in Chinesisch. 1947 reiste J.B.J. zu ihren Tanten Eugenie und Elisabeth nach Berlin, um ein Hochschulstudium zu beginnen. Diese beiden Schwestern ihrer Mutter Emma hatten ebenfalls ein Universitätsstudium absolviert: Eugenie wurde niedergelassene Fachärztin für Neurologie und Elisabeth nach dem Studium der Mathematik und Physik als erste weibliche Technikerin bei Siemens angestellt. Mutter und Schwester blieben in Shanghai zurück, übersiedelten 1948/49 nach Hongkong und Uta fand eine Anstellung in Japan, das zu ihrer neuen Heimat wurde. Die Mutter reiste 1950 nach Europa und kehrte 1952 nach Klosterneuburg zurück, unternahm dann jedoch viele Reisen, ließ sich in der Nähe ihrer Tochter Uta in Tokio nieder, kam aber – auch aus klimatischen Gründen – ab 1960 immer häufiger zu J.B.J. nach Kalifornien, wo sie 1974 starb.
J. B. J. studierte Germanistik und Anglistik in Berlin und Wien, verbrachte ein Jahr als Fulbright Austauschstudentin an der University of Minnesota und schloss ihr Studium in Wien 1956 mit dem Doktorat ab.
Sie schloss die Ehe mit dem Musikwissenschaftler Dr. Donald Johns (geb. 1926, gest.14.7.2013), der in der Nachkriegszeit in Wien studierte. Aus der Ehe stammen die beiden Söhne Karl (geb. 1955) und Andreas (geb.1964) sowie die Tochter Alessa (geb. 1959).
J. B. J. folgte ihrem Mann nach California, wo er an der University of California at Riverside eine Professur für Musikwissenschaft erhielt, und war ab 1959 als Lecturer in German an der University of California at Riverside tätig; 1965 wurde sie Professor of German an der California State University, San Bernardino. Seit den Siebzigerjahren arbeitete sie an der Zeitschrift „Modern Austrian Literature“ mit, der ersten Zeitschrift außerhalb Österreichs, welche sich ausschließlich mit österreichischer Literatur befasste. Sie verfolgte besonders zwei Ziele: 1) Bewusst zu machen, dass die österreichische Literatur eigenständig und nicht Teil der deutschen Literatur ist; 2) Frauen (Schriftstellerinnen sowie Wissenschafterinnen) den ihnen zustehenden Platz einzuräumen. Beiden Zielen diente auch die Gründung des Verlages Ariadne Press, Studies in Austrian Literature, Culture and Thought, die 1988 gemeinsam mit zwei Kollegen erfolgte; den Anstoß gab der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Leon Askin. Mittels dieses Verlages brachte J. B. J. – u.a. durch eine Übersetzungsreihe – der englischsprachigen Welt die österreichische Literatur näher, wobei Frauen besonders berücksichtigt wurden, von Marie v. Ebner-Eschenbach bis Ingeborg Bachmann, Friederike Mayröcker oder Barbara Frischmuth; über Elfriede Jelinek publizierte sie das erste Buch in den U.S.A. Um Anregungen und Unterlagen für einschlägige wissenschaftliche Arbeiten in den U.S.A. zu bieten, publizierte sie möglichst viele Bibliographien von Schriftstellerinnen, z.B. die erste Bibliographie über Barbara Frischmuth.
Inzwischen wurde der Verlag von J. J.s Sohn Karl übernommen und nach Indien ausgeweitet.
Auszeichnungen und Mitgliedschaften: Mitglied der International Arthur Schnitzler Research Association (1974-1999), Mitglied des Editorial Board der Zeitschrift Modern Austrian Literature (1974-1999), Mitherausgeberin von Ariadne Press. Studies in Austrian Literature, Culture and Thought (seit 1988). Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich (2.3.1990).
Werke
Die kritische Methode Robert Penn Warrens. Diss. Wien (1956).
The Correspondence of Stefan Zweig with Raoul Auernheimer and with Richard Beer-Hofmann (Mit D. G. Daviau u. J. B. Berlin) (1963).
The Correspondence of Arthur Schnitzler and Raoul Auernheimer with Raoul Auernheimer´s Aphorisms (Mit D. G. Daviau) (1972).
Turn-of-the-Century Vienna and its Legacy. Essays in Honor of Donald G. Daviau (Mitherausgeberin) (1993).
Elfriede Jelinek: Framed by Language (Hg. v. J. B. J. u. K. Arens) (1994).
Barbara Frischmuth. Eine Bibliographie. Modern Austrian Literature. Vol. 14, Nos.1-2 (1981), S. 101-128.
Ernst Lothar In: Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933.Vol. 2, New York. Hg. J. M. Spalek u. J. P. Strelka (1989).
Ernst Lothar. In. Eine schwierige Heimkehr. Österr. Lit. im Exil 1938-1945. In: Innsbrucker Beiträge zur Literaturwissenschaft (Mit D. G. Daviau) (1991).
Jeannie Ebner, ‚Frozen Roses’. In: Relationships. An Anthology of Contemporary Austrian Prose (1991).
Literatur / Quellen
Angrosch, M. / Schild, M.: Die Schwestern Bormann, Dr. Emma (1887-1974), DDr. Eugenie (1892-198), Dr. Elisabeth (1895-1986). In: Heindl, W. / Specht, E. (Hg.): Pionierinnen der Wissenschaft. Klosterneuburg 2005, S. 61-114.
http://www.kultur-klosterneuburg.at (Suchbegriffe: Dokumentation, Bedeutende Klosterneuburger, Emma Bormann. Zugriff: 18.5.2013),
Schriftliche und mündliche Informationen von J. B. J.