Jörger Dorothea

Geb. ?
Gest. 4.6.1556

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Vater: Hans Raming, kaiserlicher Burghauptmann zu Bruneck in Tirol; Geschwister: insgesamt fünf Geschwister, bekannt sind die Schwester Magdalena, verheiratete Oberhaimer und der Bruder Siegmund; verheiratet mit Wolfgang (IV.) Jörger (1462-1524), seit 1513-1521 Landeshauptman ob der Enns, Hofrat unter Ferdinand I. († 1521-1564), Kinder: Amalia, geboren 1498, verheiratet mit Peter Wentzeligkh; Christoph (II.) (1502-1578), verheiratet in erster Ehe mit Barbara Harrach (†1563), in zweiter Ehe mit Margareta Gaisruckh (†1567), Witwe nach Bernhard Schifer von Freiling, in dritter Ehe mit Elisabeth Turzol, Tochter des Bernhard Turzol von Bethlehemsdorf; Hans (IV.) (1503-1549), verheiratet in erster Ehe mit Barbara Knöring von Enseelen, in zweiter Ehe mit Anna Überacker (†1549); Georg, geboren 1504, früh verstorben; Katharina, 1506 geboren, verheiratet mit Georg Landau (1506-1549), Hilleprand (1507-1571), verheiratet mit Ursula Mager (†1568); Leopold, geboren 1508, früh verstorben; Magdalena, geboren 1510, früh verstorben; Wilhelm, früh verstorben; Anna, geboren 1512, früh verstorben; Benigna, geboren 1516, verheiratet mit Baltasar von Oed; enge Verbindung mit Martin Luther (1483-1546) durch jahrelangen Briefwechsel.

Laufbahn: D. war die Tochter des Burghauptmanns von Bruneck in Tirol. Er dürfte D. im Zuge seiner Reisen als Begleiter Kaiser Maximilians I. (†1519) kennengelernt haben. D. und Wolfgang hatten 1497 geheiratet. Aus der Ehe gingen elf Kinder hervor, aber nur fünf erreichten das Erwachsenenalter.

Der Aufstieg des Hauses Jörger fiel zeitlich mit dem Aufkommen der lutherischen Lehre zusammen. Die Verbreitung des Protestantismus in Österreich, insbesondere dessen Anfänge in Oberösterreich, sind mit ihrem Namen aufs engste verbunden. Wolfgang Jörger, der über die Vorgänge im Reich in Bezug auf die Sache Martin Luthers durch seine Beziehung zu Kurfürst Friedrich von Sachsen (†1525), des großen Gönners und Beschützers Luthers, ??? verhielt sich zunächst abwartend. Er starb, ohne mit dem katholischen Glauben gebrochen zu haben, und er wurde nach katholischem Ritus begraben. Indirekt, bewusst oder unbewusst, war er an der Hinwendung seiner Familie zum Luthertum mitbeteiligt, da er zwei Jahre vor seinem Ableben, seinen ältesten Sohn Christoph an den sächsischen Hof im Rahmen einer sogenannten Kavalierstour, einer adeligen Bildungsreise, entsandt hatte. Ein Glaubenswechsel war jedoch nicht intendiert, vielmehr nach Christophs eigenem Bericht, hatten er und sein Begleiter, ein Herr von Wolfstein, den starken Vorsatz, beim katholischen Glauben zu bleiben. Die Begegnung mit Luther führte aber einen Gesinnungswechsel herbei und in Christoph reifte der Wunsch, auch in seiner Heimat das Reformationswerk durch die Berufung eines lutherischen Prädikanten in Gang zu setzen. Bedingt durch den Tod des Vaters kehrte Christoph 1524 in die Heimat zurück.

Der von Christoph erbetene Prädikant wurde von Martin Luther in der Person Michael Stiefels (†1567) entsandt, der 1525 als erster Prädikant einer adeligen Familie in Österreich auf Schloss Tollet bei Grießkirchen eintraf und die gesamte Familie Jörger, Verwandte und Freunde für die Lehre Luthers gewann. D. J. trat dann auch, nachdem Michael Stiefel Ende 1527 endgültig wieder nach Wittenberg entlassen werden musste, da er aufgrund der Maßnahmen des Landesfürsten gegen die neue Lehre, seines Lebens nicht mehr sicher war, in einen persönlichen Briefkontakt mit Martin Luther, der bis etwa eineinhalb Jahre vor Luthers Tod dokumentiert ist; der erste Brief Martin Luthers an D. J. datiert vom 6. Jänner 1528, der letzte vom 5. September 1544. Insgesamt sind dreizehn Briefe bekannt, die Luther an D. J. richtete. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Korrespondenz viel umfassender war, zumal die Kontakte mit den Jörgern 1522 (Christoph Jörger in Wittenberg) einsetzen und innerhalb der Korrespondenz erhebliche Lücken nachweisbar sind. Abgesehen von den Briefen, die Luther an seine Frau Katharina (Käthe) von Bora (1499-1552) adressierte, ist von keiner anderen Frau ein so intensiver Briefverkehr mit dem Reformator bekannt. 1996 wurde ein Originalbrief Martin Luthers an D. J. (Brief vom 14. März 1528) im Stift Herzogenburg gefunden.

Nach Wolfgang Jörgers Tod hat D. nicht wieder geheiratet, sondern sich ganz ihrer Familie gewidmet. Da Wolfgang anscheinend kein Testament hinterlassen hatte, war die Familie mit dem Problem der Erbteilung konfrontiert. Zusammen mit ihren Söhnen führte sie die Wirtschaftspolitik ihres verstorbenen Mannes fort, indem sie ihrem Besitz durch Kauf weitere Güter hinzufügen konnten. Ihre kluge Wirtschaftsführung versetzte D. in die Lage, so manche größere oder kleinere Summe Geldes zu erübrigen. Bei ihrem Tod belief sich das vorhandene Bargeld auf rund 780 Gulden und an Aktivschulden waren rund 1760 Gulden einzufordern.

Michael Stiefel bedachte sie nach seiner Abreise mit Spenden. Der Familie Luther übersandte sie nicht nur Geschenke, darunter drei ungarische Goldgulden für Luthers Frau Katharina, sondern sie übersandte auch 500 Gulden zur Unterstützung für arme Theologiestudenten. Entgegen seiner damaligen eigenen Auffassung vom Zinsnehmen wollte Martin Luther das Geld gegen Zins anlegen, D. jedoch wollte das Geld unter den Studenten verteilt wissen. Besondere Zuwendungen erfuhr der Student Andreas Hecher, der sich zudem bei D. erholen durfte, als ihm das Klima in Wittenberg nicht behagte.

Die Erbteilung lastete ob der Uneinigkeit ihrer Söhne schwer auf D.; 1525 hatten die Verhandlungen darüber begonnen und fanden erst Ende 1563 ihren Abschluss. Da war D. als auch einer der drei Söhne, Hans, nicht mehr unter den Lebenden. D. wollte auch ihre Töchter, die bereits einen Erbverzicht geleistet hatten, mit einem Anteil bedenken, wovon aber die Söhne nichts wissen wollten. In dieser Angelegenheit wollte sie größtmöglichste Sorgfalt angewendet wissen und suchte auch Rat bei Martin Luther. Letztlich gingen die Töchter doch leer aus, nur am Gut Sinzing bekamen sie einen Anteil, den sie ihrem Bruder Christoph verkauften.

Ihr 1535 verfasstes Testament, in dem sie ihren Nachkommen das Festhalten am Evangelium besonders nahe legt, zeugt durch ihre Wortwahl auch davon, wie sehr sie sich den Geist der reformatorischen Lehre vertraut gemacht hatte. Den von ihr vorgezeichneten Weg, die neue Religion direkt aus der Quelle kennen zu lernen, gingen auch drei ihrer Enkelsöhne. Helmhard hielt sich 1539 am Hof des sächsischen Kurfürsten Johann (†1554) auf und Abraham und Ladislaus sind 1542 in Wittenberg immatrikuliert.

Auf ihren Witwensitz in Köppach bei Vöcklabruck ist sie am 4. Juni 1556 gestorben und wurde wohl in der Kirche Sankt Georgen bei Grießkirchen an der Seite ihres Mannes begraben.

Abbildung: Epitaph in der Kirche von Sankt Georgen bei Grießkirchen: D. ist dargestellt an der Seite ihres Mannes: sie trägt am Kopf eine Haube mit Kinnbinde und über dem Kleid einen Mantel; in der Hand hält sie, wohl als Ausdruck ihrer Frömmigkeit, eine Perlenschnur (Rosenkranz) (Abb. Wurm, nach 64, Detailausschnitt: Darstellung von D.).

L.: Arnold 1998, Leeb 2004, Reingrabner 1996, Tersch 1998a, Wurm 1955

Ingrid Roitner