Iulia Urbana
Geb. 1. Jh. n. Chr.
Geograph. Lebensmittelpunkt: Walbersdorf, Bez. Mattersburg (römische Provinz Pannonien).
LebenspartnerInnen, Kinder: Ehemann: Caius Petronius aus der kilikischen Stadt Mopsuestia, Soldat der ala I Flavia Gemelliana. Sohn: Petronius Rufus.
I. U. ist bisher aus zwei Inschriften aus dem Burgenland, genauer gesagt aus Walbersdorf, Bez. Mattersburg, bekannt, die sie selbst für zwei ihrer Familienangehörigen setzen ließ. Aus diesen geht hervor, dass I. U. zunächst als Sklavin des Caius Petronius, lebte. Dieser stammte aus der kilikischen Stadt Mopsuestia – in der heutigen Osttürkei, etwa 19 km östlich der heutigen Stadt Adana gelegen – und war Soldat der ala I Flavia Gemelliana. Ob I. U. von hier aus Caius Petronius auf seiner langen Reise, die ihn bis ins Burgenland führte, begleitete oder ob sie von ihm während dieser Reise oder sogar erst in Pannonien erworben wurde, ist nicht bekannt. Sicher ist jedenfalls, dass er seine Sklavin nicht nur schätzen, sondern zu einem gewissen Zeitpunkt auch lieben gelernt hat. Dies zeigt die Inschrift des wunderschönen Grabsteines, den I. U. Caius Petronius setzen ließ, als dieser nach ehrenhafter Entlassung nach 26 Dienstjahren im Alter von 73 Jahren verstarb und in dem sie sich als seine rechtmäßige Ehefrau bezeichnet. Dass Sklavenbesitzer ihre weiblichen Sklaven ehelichten, nachdem sie ihnen die Freiheit wieder gegeben hatten, war durchaus nicht ungewöhnlich und kam öfters vor, geschah wohl aber aufgrund des Eheverbots aktiver Soldaten in diesem Fall erst nach dem Ausscheiden von Caius Petronius aus dem aktiven Dienst. Wo genau das Lager der Ala I Flavia Gemelliana war, bevor sie um 30 n. Chr. in das Lager von Augusta Raurica (Kaiseraugst in der heutigen Schweiz) einzog, ist nicht bekannt, es lag aber vermutlich an der Bernsteinstraße, die von Aquileia nach Carnuntum und weiter nach Norden lief, denn üblicherweise siedelten sich Veteranen in der Nähe ihrer ehemaligen Dienststelle an. So ist denn anzunehmen, dass sich Caius Petronius und I. U. im fortgeschrittenen Alter aber als frisch vermähltes Ehepaar ein Landgut im nördlichen Burgenland kauften oder errichten ließen, um hier ihr Lebensalter zu genießen. In diesem Alterssitz lebten sie wohl zusammen mit ihren Kindern, von denen eines sehr wahrscheinlich namentlich aus einer weiteren Grabinschrift aus Walbersdorf bekannt ist. Denn wohl nach dem Tod des Caius Petronius hatte I. U. einen weiteren Schicksalsschlag zu verkraften: Sie musste Caius Petronius Rufus zu Grabe tragen, der im Alter von erst 20 Jahren verstarb. Obwohl es nicht ausdrücklich auf der Inschrift vermerkt ist, ist in ihm sehr wahrscheinlich der gemeinsame Sohn des Caius Petronius und der I. U. zu sehen. War schon die Grabinschrift für Caius Petronius sehr aufwendig und zeigte im Giebelfeld in einer Nische die Porträtbüste eines Mannes darüber Mondsichel und Sternrosetten, sowie unter dem Inschriftenfeld einen Reiter im Kampfeinsatz im Galopp mit Schild und erhobenem Speer, so ist die des Sohnes noch viel aufwendiger und größer: Mit 3 Metern Höhe ist sie eine der größten Grabstellen, die je in Pannonien entdeckt wurde. Doch nicht nur die Höhe, sondern auch die Qualität des verwendeten Marmors sowie die der Schrift und Reliefs ist außergewöhnlich. So ist das vertiefte Inschriftenfeld seitlich mit zwei kannelierten Pilastern mit Adlerkapitellen gerahmt, während sich über ihm ein Fries mit einer Hirschkuh, zwei Vögeln und einem Panther mit einem Jungen befinden. Unter der Inschrift befindet sich ein weiteres breites Relieffeld, das zwei kämpfende Hähne, einen fliegenden Vogel und seitlich einen kleinen Hund zeigt. Im oberen Bereich der Stele ist zudem eine reich verzierte Nische zu sehen, deren Giebel mit zwei Vögeln und Blattkelchen verziert ist. In der Nische selbst finden sich die sorgfältig gearbeiteten Büsten von einer Frau mit über den Kopf gezogenen Mantelsaum und reichem Schmuck, sowie die eines bärtigen Mannes. Während die Frau in ihrer linken Hand eine Spindel wohl als Zeichen ihrer häuslichen Autorität hält, trägt der Mann eine Schriftrolle, die ihn als römischen Vollbürger ausweist. Zudem sind beide in coniunctio manis, d. h. sich an den Händen haltend, dargestellt, das ein Sinnbild für die eheliche Verbundenheit ist. Bei der Frau dürfte es sich dabei sehr wahrscheinlich um I. U. handeln, denn schließlich sagt sie in der Inschrift, dass dieser Grabstein auch für sie selbst gedacht sei. Dementsprechend muss der neben ihr dargestellte Mann Caius Petronius, ihr Ehemann, sein. Möglich wenngleich weniger wahrscheinlich wäre, dass hier der in der Inschrift darunter genannte Sohn Petronius Rufus abgebildet ist und die Frau neben ihm nicht I. U. sondern seine eigene – nicht genannte – Ehefrau darstellen würde oder dass hier Mutter und Sohn porträtiert wurden und der Handschlag dabei jedoch nicht – wie üblich – auf die Ehe, sondern lediglich auf die enge verwandtschaftliche Bindung hinweist.
Qu.: Zwei römische Grabstelen, die 1900 bei der Ziegelei östlich der Bahnstation, wahrscheinlich bei einer Familiengrabstätte bei einem römischen Gutshof in Walbersdorf gefunden wurde. Sie befinden sich beide im Lapidarium in Sopron.
L.: Schober, Grabsteine 85 Nr. 185 Abb. 94 und Nr. 270; Hild, Supplementum 249-250 Nr. 397; CSIRÖ I 5, 13 Nr. 8 und Nr. 13; lupa Nr. 427
Marita Holzner