Hron Johanna; Zeugin Jehovas, Büroangestellte und Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Wien, 15.4.1904
Gest. Braunau, OÖ, 10.3.2009

J. H. wird am 15. April 1904 in Wien als uneheliche Tochter der Johanna Hron und des Zeichners Engelbert Puder, der in J. H.s frühester Kindheit verstirbt, geboren. Ihre Mutter heiratet etwa 1920 den Holzarbeiter Leopold Niedermaier. J. H. lebt bis zu ihrer Verhaftung bei ihrer Mutter und deren Mann im 21. Wiener Gemeindebezirk, Brünnerstraße 15. Bis 1930 ist sie als Büroangestellte tätig. 1930 kommt sie durch Literatur mit Zeugen Jehovas in Kontakt, besucht deren Vorträge in der Ziegelofengasse und 1931 wird sie im Wiener Römerbad als Zeugin Jehovas getauft. Als unverheiratete junge Frau betätigt sie sich zunächst äußerst eifrig missionarisch in ganz Wien, um sich dann als Missionarin für das Ausland zur Verfügung zu stellen. Von 1932 bis 1935 ist die zierliche Frau, sie ist nur 1,47m groß, zunächst in der Tschechoslowakei (Budweis und Umgebung) zusammen mit dem Südtiroler Alois Lanthaler als Missionarin tätig. Im Winter 1935 reist sie nach Jugoslawien und schließt sich einer 20köpfigen Gruppe von deutschsprachigen Missionaren an. Sie wohnt in Agram (Zagreb) und beteiligt sich an der Verbreitung von Literatur in kroatischer und serbokroatischer Sprache. Im August 1936 wird die „Leuchtturm-Gesellschaft“ aufgelöst und die Tätigkeit der Missionare immer schwieriger. J. und ihre Missionargefährten werden immer wieder eingesperrt. Nach der Verbreitung der Zeitschrift „Judge Rutherford Uncovers Fifth Column“, worin die Unterstützung der politischen Ziele der Nationalsozialisten durch die katholische Kirche aufgedeckt wird, werden J. und die anderen ausländischen Missionare ausgewiesen. Im Juli 1938 kehrt sie nach Wien zu ihren Eltern zurück und wird von diesen, da sie keine Arbeit hat, finanziell unterstützt. Etwa ein Jahr hat sie außer durch den Erhalt von Literatur keinen Kontakt zu der bereits seit 1935 verbotenen Organisation der Zeugen Jehovas. 1939 nimmt sie Kontakt zu dem damaligen Landesleiter der Internationalen Bibelforschervereinigung (IBV) Peter Gölles auf, der sie beauftragt als „Kurierin“ mit dem Decknamen „Hansi“ Glaubensbrüder in den verschiedenen Teilen Österreichs mit der in Wien vervielfältigten illegalen Literatur zu versorgen. Sie reist daraufhin von Dezember 1939 bis Mai 1940 zum Teil allein oder zu zweit (u. a. mit Ernst Bojanowski) über Leoben und Graz nach Klagenfurt und Lienz, aber auch nach Salzburg, Innsbruck und Dornbirn, wo sie Kontakte zu Glaubensbrüdern aus der Schweiz hat. Die Broschüren und Zeitschriften trägt sie immer am Körper. Sie bekommt auch den Auftrag, nach Pressburg (Bratislava), Magdeburg, Darmstadt und Berlin zu reisen, um dort Kontakt zu Glaubensbrüdern herzustellen und Literatur nach Wien einzuschmuggeln. J. wird schon lange von der Gestapo beobachtet. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Wien wird sie in einer Großrazzia der Gestapo am 12. Juni 1940 um 6 Uhr früh zuhause verhaftet. An diesem Tag werden 44 Zeugen Jehovas aus dem Großraum Wien u. a. auch das Ehepaar Gölles verhaftet. Damit gelingt es der Gestapo, die illegale Literaturvervielfältigung und -verbreitung endgültig lahm zu legen. J. befindet sich sechs Wochen lang in Untersuchungshaft und wird mindestens sieben Mal am Morzinplatz verhört und unter Druck gesetzt, Glaubensbrüder zu verraten. Am 21. Juli 1940 wird sie zeitgleich mit mehreren Zeugen Jehovas in das Wiener Landesgericht überstellt; es wird Anklage gegen sie erhoben. Am 27. Jänner 1941 wird sie als eine der Hauptangeklagten von einem Wiener Sondergericht wegen Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung gemäß § 3 der Verordnung vom 25. November 1939 zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutze der Wehrkraft des deutschen Volkes zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt. Vom 14. Februar 1941 bis 29. April 1945 ist sie im Zuchthaus Aichach (Oberbayern) inhaftiert. Der Kontakt mit den Angehörigen beschränkt sich auf einen Besuch im Monat. Im Akkord werden die Socken von Gefallenen aufgetrennt und wieder Neue gestrickt. Wird das Arbeitspensum nicht geschafft, drohen 5-10 Tage im Kellerloch bei Brot und Wasser. In der Zelle sind die Bedingungen auch nicht viel besser. Kälte und Hunger sind die ständigen Begleiter, was die Häftlinge dramatisch an Gewicht verlieren lässt. Den Gewichtsverlust kennen jedoch nur die Wärter – denn J. H. muss sich verkehrt auf die Waage stellen. Sie erleidet schließlich einen Nervenzusammenbruch. Am 29. April 1945 wird Aichach durch die Amerikaner befreit. Die Heimreise zu Kriegsende gleicht eher einer Flucht, die J. zwingt in Braunau Halt zu machen. Bei einem Bauern auf dem Heuboden verbringt sie die unruhige Nacht, bevor ihr am nächsten Tag der Bürgermeister weiterhilft. Sie lernt dabei den Braunauer Zeugen Jehovas und Tischler Ferdinand Buchner kennen, den sie am 31. Jänner 1948 ehelicht. Sie ist mit ihm bis zu dessen Tod am 15. Juni 1991 verheiratet. Das Ehepaar Buchner wohnt in Braunau, Pfarrhofgasse 1. J. geht nach ihrer Eheschließung keiner beruflichen Beschäftigung nach und bleibt kinderlos. 1947 wird ihr Antrag auf Opferfürsorge abgelehnt mit der Begründung, dass sie keinen politischen Einsatz für die Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs geleistet und sich „lediglich“ im Rahmen der Organisation der Bibelforscher betätigt habe. Am 10. Mai 1949 wird ihr schließlich doch der Opferausweis ausgestellt. Am 24. März 2004 wird die bereits hundertjährige J. vom Landesgericht für Strafsachen Wien rehabilitiert. Auf Antrag der Glaubensgemeinschaft wird das 1941 gefällte Urteil aufgehoben und ihre Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus endgültig bestätigt. J. B. verstarb am 10. März 2009 im Altersheim Braunau.

Qu.: DÖW 14201, DÖW 1545, DÖW 19509, Erkennungsdienstliche Kartei der Gestapo Wien, Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Rehabilitierungsbescheid des LG für Strafsachen in Wien,

L.: Braunauer Rundschau, 22.4.2004, Dokumentationsarchiv 1984, Dokumentationsarchiv 1987a, Jahrbuch der Zeugen Jehovas 2009, Lichtenegger 1984, Schwanninger 2007, Profil, 3.5.2004.

Heidi Gsell