Horn Erika
* 7.8.1918, Klagenfurt, Ktn., † 28.11.2015
Gerontologin und Erwachsenenbildnerin
Geboren am 7.8.1918 in Klagenfurt; Univ. Graz (Geschichte/Philosophie); Promotion 1940; erste Publikation 1964: „Du sollst ein Segen sein. Vom Sinn des Alters“; aktuelle Publikation 2011 (Hrsg.) mit Petzold und Müller: „Hochaltrigkeit. Herausforderung für persönliche Lebensführung und biopsychosoziale Arbeit“.
Erwachsenenbildnerin, Altersforscherin, Lehrerin der Altenpflegeschule; 1999 wird ihr der Paul Petry Preis für Alterswissenschaften verliehen und im selben Jahr das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark. Sie ist als Beiratsmitglied Mitinitiatorin des Universitätslehrgangs Interdisziplinäre Gerontologie – der nach 10 Jahren zum Master für Interdisziplinäre Gerontologie. Bis zu ihrem Tod mit 97 Jahren, versuchte sie trotz erheblichen alternsbedingten Einschränkungen, ihre Vortragstätigkeit aufrecht zu erhalten.
E. H. wird als Erika Hinterlechner in Spittal an der Drau geboren. Beide Eltern stammen aus Graz. Der Vater arbeitet als Bahnhofsvorstand, die Familie wohnt im Bahnhofsgebäude. Nach dem Umzug nach Graz 1932 absolviert sie eine Lehrerinnenausbildung (bis 1937). Darauf folgt ein Studium der Geschichte und Philosophie mit der Promotion an der Universität Graz (1940). Gleichzeitig heiratet sie den Universitätsassistenten und dann Mittelschullehrer Karl Horn. Eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie scheint ihr nicht möglich und sie verlässt die Universität als sie kurz darauf ihren ersten Sohn erwartet. Auch dem Ruf des Bundes Deutscher Mädchen nach Berlin folgt sie nicht. Kein klares Lebenskonzept, kein Selbstbild ist verantwortlich für ihre Handlungen. „Vieles hat sie damals‚ nicht bedacht, nicht erkannt, nicht bewusst bearbeitet, sondern angenommen und einfach gelebt’ […] Die Schuld wird nie vorbei sein. Erst die Erfahrung und das Vergehen der Zeit machen es ihr möglich, zu verstehen” (Haring 2008, S. 96).
Nach einer Phase des Zweifelns (das akademische Arbeiten und das blinde Vertrauen in die Nazis passen nicht zusammen) wendet sich E. H. mit Hilfe des Religionsphilosophen Martin Buber vom Nationalsozialismus ab. Die Quäker und der Philosoph Ferdinand Weinhandl sowie die Dichterin Margarete Weinhandl helfen bei der Vergangenheitsbewältigung (ebd.). Als „Irrwege“ bezeichnet sie ihre bis dahin unreflektierte Nähe zum Nationalsozialismus. Es beginnt eine intensive Aufarbeitungszeit und intensive Auseinandersetzung mit dem Judentum.
1949 erscheint das Legendenbuch: „Es gibt noch Wunder“ und als Wunder sieht es E. H., dass man mit einer solchen Schuld neu anfangen darf (vgl. Welzig 2006, S. 114). Es folgen zwei weitere Kinder und die Pflege der schwer depressiven alternden Mutter. Die Betreuung der Mutter und deren Tod sind ausschlaggebende Erfahrungen für E. H.s späte aber intensive Karriere. In „Du sollst ein Segen sein“ (1964) beginnt ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Alternsthema.
Sie ist bereits über 50 und von ihrem Mann geschieden als sie sich zur Lehrerin und Erwachsenenbildnerin sowie Altersforscherin entwickelt. Sie lehrt viel, ihre Texte bleiben dabei unveröffentlicht (z.B. Horn 2008) oder verschwinden in Seminarunterlagen (Horn 1996). Erst 2008 und 2011 werden einige ihrer Grundgedanken in akademischen Werken publiziert (vgl. z.B. Petzold et al 2011).
Gleichzeitig und beeinflusst durch Leopold Rosenmayr, dem großen österreichischen Altersforscher sowie Elisabeth Fischer, Mitarbeiterin im Wiener Ludwig Boltzmann Institut für Sozialgerontologie und Lebenslaufforschung, thematisiert H. in den 1980er Jahren die Themen Altern und Älterwerden. Altern wird als Prozess definiert, als Ablauf von Zugewinnen aber vor allem Verlusten. Die Art des Alterns hängt vom sozialen und kulturellen Kontext ab – Altern ist ein individueller Prozess, jedoch stark gesellschaftlich geprägt. E. H. wendet sich an die MitarbeiterInnen der Altenarbeit, sie sollen unterstützt werden (Haring 2008, S. 31ff.). Ihr didaktischer Grundsatz: Vorurteile abbauen. ErwachsenenbildnerInnen müssen ihr eigenes Altern und ihre Altersbilder reflektieren (vgl. Haring 2011). Sie bringt das Thema Altern in das steirische Volksbildungswerk und die katholische Frauenbewegung. In Graz unterstützt E. H. Mitte der 1970er Jahre Cacilia Kappl beim Aufbau einer Ausbildung für AltenhelferInnen nach dem Vorbild der Wienerin Hildegard Teuschl, der Leiterin der Caritas-Schule für Sozialberufe. Im Alter von 56 ist sie erstmals als Lehrerin in der AltenhelferInnenschule angestellt. Im Bildungshaus Mariatrost arbeitet sie als freie Mitarbeiterin im pädagogischen Bereich mit (1972-1997) und initiiert die christlich-jüdischen Bibelwochen, hält Vorträge und leitet Seminare; 25 Jahre ist sie Mitglied im Leitungsteam. Das Netzwerk der AlternsforscherInnen und PraktikerInnen wächst. H. ist eine großartige Netzwerkerin (vgl. Haring 2008, S. 30ff.). Sie hat sich zum Auftrag gemacht, die Themen Altern und Alternswissenschaften gesellschaftlich bekannt zu machen. Sie agiert im Netzwerk mit der Altersforscherin Ursula Lehr und Arthur E Imhof. Sie lehrt Gerontologie neben und mit Hilarion Petzold, Erich Grond und Astrid Hedtke-Becker.
Weiters ist sie im Dachverband der Hospizbewegung, arbeitet als Lebens- und Sozialberaterin und hält Gerontologievorlesungen an der steirischen „Fürsorgeschule“, der späteren Sozialakademie. 1976 bis 1996 ist sie Seminarleiterin des von ihr mitkonzipierten Kurses „Älterwerden – ein Problem?“ unter der Leitung von Ernst Gattol und Dagmar Heidecker vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung in Strobl. 1997 wird sie von der Grazer Erwachsenenbildnerin und Erziehungswissenschaftlerin Gertrud Simon für die Konzipierung des ersten österreichischen Universitätslehrgangs Interdisziplinäre Gerontologie eingeladen. Dort lehrt sich auch in den 10 folgenden Jahren (vgl. Haring 2008 u. 2009).
2013, 95jährig, wird sie zum Spatenstich eines neuen Pflegewohnheimes der Geriatrischen Gesundheitszentren Graz in Andritz eingeladen: die Namensgeberin: Prof. Dr. Erika Horn. Sie nimmt teil, hält eine Rede und lässt es sich trotz Rollstuhl nicht nehmen, den Spaten zu bedienen. Am 23. September 2015 eröffnet das Pflegewohnheim „Erika Horn“ in Andritz bei Graz.
E. H. erhielt folgende Auszeichnungen: 1991 Verleihung des Berufstitels „Professorin” durch den Bundespräsidenten, 1999 Paul Petry Preis für Alterswissenschaften, 1999 Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2003 Bürgerin der Stadt Graz, 2003 Josef Krainer Heimatpreis.
Werke
Mit Petzold, H. / Müller, L. (Hg.): Hochaltrigkeit. Herausforderung für persönliche Lebensführung und biopsychosoziale Arbeit. VS-Verlag, 2011.
In einem heiteren inneren Frieden. Erfahrungen mit Tod und Transzendenz. In: Evangelisches und Katholisches Bildungswerk Oberösterreich, Caritas Linz, Oberösterreichische Landesmuseen (Hg.): endlich ewig. Vom Umgang mit Tod und Transzendenz. Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen, 2008b.
Lebensrückblick. Unveröffentlichtes Manuskript, 2008a.
Wer bin ich, wenn ich alt bin? In: Gattol, E. / Heidecker, D. (Hg.): Dokumentation des Lehrgangs „Älterwerden – ein Problem?“ Strobl, 1996.
Ziele und Methoden der Bildungsarbeit. In: Information Altersforschung – Altenarbeit. Ludwig Boltzmann Institute für Altersforschung (Hg.) Nr. 2 Februar, 1983, S. 10-12.
Du sollst ein Segen sein. Vom Sinn des Alters. Styria Verlag, 1964.
Es gibt noch Wunder. Die schönsten Legenden. Styria Verlag, 1949.
Literatur / Quellen
Haring, S.: Erika Horn: Gerontologin der ersten Stunde. (2011): www.erwachsenenbildung.at/aktuell/nachrichten_details.php?nid=4668
Haring, S.: Portrait zu Erika Horn. Bildungsnetzwerk Steiermark. (2009):
www.bildungsnetzwerk-stmk.at/0806/horn.html (zuletzt 17. Februar 2011).
Haring, S.: Erika Horn. Leben – auf den Leib geschrieben. Classic Verlag, Graz, 2008.
Welzig, E.: Leben und überleben. Frauen erzählen vom 20. Jahrhundert. Böhlau, Wien, 2006. S. 107-119.