Hitzenberger Anneliese (Anna Elisabeth), geb. Kosak; Ärztin und Verbandsfunktionärin
Geb. Wien, 30.3.1905
Gest. Wien, 31.7.2003
A. H. wurde am 30. März 1905 in Wien als einziges Kind des Bankangestellten Franz Kosak geboren. Die Volksschulbildung wurde ihr zum Großteil durch ihre Mutter im Privatunterricht vermittelt. Mit neun Jahren übersiedelte sie nach Bregenz. Dort ging sie im nahe gelegenen Kloster Marienberg zur Schule. Anschließend besuchte sie das Gymnasium und legte 1923 am Mädchenrealgymnasium in Wien-Hietzing die Matura ab. An der Universität Wien belegte sie zunächst die Fächer deutsche Philologie und Geschichte, im darauffolgenden Semester (1924) begann sie heimlich mit dem von den Eltern untersagten Medizinstudium und setzte dieses schließlich durch. 1928 heiratete sie Karl Hitzenberger, Professor für Innere Medizin, den sie als Studentin kennen gelernt hatte. Im Dezember 1929 kam ihr Sohn und im Jänner 1931 ihre Tochter zur Welt. A. H. schloss ihr Studium im Mai desselben Jahres ab. Sie begann ihre medizinische Laufbahn an der 1. Medizinischen Universitätsklinik und am Rudolfspital. Während ihrer dritten Schwangerschaft gab sie ihre Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen auf. 1933 wurde ihre zweite Tochter geboren. A. H. begann, mit ihrem Mann wissenschaftlich zusammenzuarbeiten. 1936 bekam sie ihr viertes Kind, einen Sohn.
Nach dem „Anschluss” Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland fassten A. und Karl Hitzenberger, dem 1938 aufgrund der Abstammung seiner Frau die Venia Legendi entzogen worden war, eine Emigration ins Auge. Im März 1939 erhielt Karl Hitzenberger eine Berufung an die University of California in Los Angeles. Da die Gestapo die Pässe des Ehepaars konfiszierte und erst zwei Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurückgab, zerschlugen sich diese Pläne. Im September 1941 starb Karl Hitzenberger an den Folgen einer langwierigen Erkrankung. A. H. übernahm seine Praxis und die Leitung der Ambulanz der 1. Chirurgischen Universitätsklinik. Kurz vor Ende des Krieges wurde ihre Ordination durch Bombentreffer zerstört.
Nach dem Krieg trat A. H. der SPÖ bei. Als Mitglied der Sozialistischen Ärztevereinigung wurde sie 1955 zur zweiten Stellvertreterin des Vorstandes gewählt. 1947 war sie als Vertragsärztin der UNRRA tätig. A. H. war namhafte Aktivistin der während der NS-Ära aufgelösten und nach dem Krieg neu gegründeten Organisation der Ärztinnen Österreichs (OÄÖ) (vormals Organisation der Ärztinnen Wiens), der sie bereits 1931 beigetreten war. Dieser Vereinigung stand sie viele Jahre lang als Vizepräsidentin und ab 1974 in der Nachfolge von Lore Antoine als Präsidentin vor. Im Rahmen der OÄÖ war sie auch an der Organisation eines großangelegten Hilfswerks für nach dem Aufstand 1956 geflüchtete ungarische Ärztinnen und deren Familien beteiligt. Sie war Mitglied verschiedener Ausschüsse der Ärztekammer für Wien und redigierte deren Mitteilungsblatt. In der Zeitschrift „Die Frau” verfasste sie über zwei Jahrzehnte lang regelmäßig Artikel zu medizinischen Fragen, aus denen 1951 das „Frau Doktor-Buch” entstand. 1953 erschien ihr Ratgeber für Sexualaufklärung „Wie sag’ ich’s meinem Kinde”. In zahlreichen Vorträgen an öffentlichen Schulen und Volkshochschulen referierte sie zu medizinischen und pädagogischen Themen. 1987 wurde ihr das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen. Bis ins hohe Alter war sie als niedergelassene Allgemeinmedizinerin tätig. A. H. verstarb am 31.7.2003 in Wien.
Qu.: UA Wien, Nationalien der medizinischen Fakultät. Auskunft der Ärztekammer für Wien, 31.3.2004.
W.: „Das Frau Doktor-Buch. Schriftenreihe ‚Die Frau’, 8“ (1951), „Wie sag’ ich’s meinem Kinde“ (1953). Zahlreiche Artikel in: Die Frau
L.: McGregor Hellstedt 1978, Merinsky 1980, Neugebauer/Schwarz 2005, Wagner 2000
Christine Kanzler