Hilferding Margarethe, geb. Hönigsberg, Margarete Hilferding-Hönigsberg; Ärztin und Individualpsychologin

Geb. Wien, 20.6.1871
Gest. Theresienstadt/Maly Trostinec, Polen, 24.9.1942

Herkunft, Verwandtschaften: Entstammte einer großbürgerlich-jüdischen Familie. Der Vater Paul Hönigsberg war Arzt für Allgemeinmedizin und Gemeinderat in Wien-Hernals. Die Mutter Emma Breuer, eine Sozialdemokratin, betätigte sich als Rechtsberaterin im Ottakringer Arbeiterheim.

LebenspartnerInnen, Kinder: 1904 Verehelichung mit Rudolf Hilferding, den sie in der „Freien Vereinigung Sozialistischer Studenten“ kennengelernt hatte. Der 1877 geborene Sohn eines jüdischen Kaufmanns hatte in Wien Medizin studiert und war bis 1907 als Arzt tätig. Hilferding stand in engem Kontakt zu Viktor Adler und wurde durch seine Beschäftigung mit der Nationalökonomie zum bedeutenden Finanzpolitiker und führenden Theoretiker des Austromarxismus. 1906 von der SPD an die Parteischule nach Berlin berufen, blieb er ab 1907 ständig in Deutschland, wo er vorwiegend als Redakteur tätig war. 1907/08 lebte die Familie in Berlin, nach der Scheidung kehrte M. H. nach Wien zurück. 1923 und 1928/29 wurde Rudolf Hilferding in der Weimarer Republik zum Reichsfinanzminister bestellt. Sohn Karl (1905-1942) wurde, trotz seiner Konversion zum katholischen Glauben, im Lager Groß-Strelitz ermordet. Sohn Peter konnte mit Hilfe Karl Poppers nach Neuseeland emigrieren.

Ausbildungen: Besuch des Gymnasiums. Nach der Reifeprüfung im Jahr 1809 Inskription an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Nach Zulassung der Frauen zum Medizinstudium Wechsel des Studienfaches. Promotion 1903. Erwarb als erste weibliche Studentin der Medizin das Doktorat an der Universität Wien, anschließend Tätigkeit als Ärztin in Wien.

Laufbahn: Im April 1910 wurde M. H. von Paul Federn zur Aufnahme in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung vorgeschlagen. Nach einer geheimen Abstimmung wurde H. am 27. April 1910 als erste Frau Mitglied der „Mittwoch-Gesellschaft“. Am 11. Jänner 1911 hielt sie in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung ihren ersten Vortrag zum Thema „Zur Grundlage der Mutterliebe“. 1911 gemeinsamer Austritt mit Alfred Adler, Mitglied des Vereins für psychoanalytische Forschung (Verein für Individualpsychologie Alfred Adler), auch zeitweise Präsidentin; Leiterin und ärztliche Mitarbeiterin an den individualpsychologischen Erziehungsberatungsstellen in Wien, Mitarbeiterin im Mariahilfer Ambulatorium; ab 1910 betrieb sie eine Praxis für Allgemeinmedizin und als Frauenärztin im 10. Wiener Gemeindebezirk, wo sie 1927-34 auch eine politische Funktion als Bezirksrätin einnahm. Vorsitzende des Arbeiter-Abstinentenbundes.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten freiwillige Tätigkeit im Rothschildspital, Verlust der Wohnung, gemeldet im jüdischen Altersheim in Wien 9, Seegasse. (Am 28. Juni 1942 Deportation nach Theresienstadt, Tod während des Weitertransportes nach Maly Trostinec am 23.9.1942. lt. DÖW wurde M. H. am 23.9.1942 in das KZ Treblinka überstellt und kurz darauf ermordet).

spez. Wirkungsbereich: Engagement in der Sozial- und Bildungspolitik des „Roten Wien“. Leiterin und ärztliche Mitarbeiterin an den individualpsychologischen Erziehungsberatungsstellen in Wien, wo sie auch Kurse über Erziehungs- und Frauenfragen leitete. Ebenso war sie in der sozialistischen Frauenorganisation als Vortragende und Publizistin im Bereich Sozialmedizin und Berufskrankheiten tätig. wissenschaftliche Arbeiten und Lehrkurse vor allem über Frauenfragen, Sexualität und Geburtenregelung, Aufklärung und Erziehung; eine der einflussreichsten IndividualpsychologInnen im Wien vor dem Zweiten Weltkrieg.

Ausz.: 2003 wurde in Wien-Floridsdorf der Hilferdingweg nach der Familie Hilferding − nach Margarethe Hilferding, Rudolf Hilferding und ihren gemeinsamen Sohn Karl − benannt. Am 20. Juni 2006 wurde in Wien 10, Leebgasse 100 eine kommunale Wohnhausanlage nach der ehemaligen Favoritner Bezirksrätin benannt (Margarethe-Hilferding-Hof).

Qu.: Tagblattarchiv (Personenmappe).

W.: „Der Schleichhandel. In: Der Kampf 12“ (1919), „Was kostet die auskömmliche Ernährung? In: Der Kampf 13“ (1920), „Geburtenregelung. Mit einem Nachwort von Alfred Adler. Erörterungen zum § 144“ (1926), „Frauenarbeit und Frauengesundheit. In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Hg. Kammer für Arbeiter und Angestellte, Käthe Leichter“ (1930)

L.: Dokumentationsarchiv 1987b, Feikes 1993, Handlbauer 2000, List 2006, Mühlleitner 1992, Mühlleitner 2002, Pasteur 1986, ÖNB 2002, Sablik 1968, Stipsits 2000, Strasser1947, www.onb.ac.at/ariadne/