Hildegard; zweite Frau Karls des Großen, seit 768 fränkischer König, 800-814 Kaiser
Geb. ?
Gest. am 30. April 783 in der Pfalz Diedenhofen in Lothringen, begraben in der Kirche des Metzer Arnulfskloster
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Gerold, ein fränkischer Großer aus dem Mittelrheingebiet in der Gegend von Mainz; Mutter: Imma, eine Nachfahrin des alemannischen Herzogs Gottfried (um 700) aus der Familie der Agilolfinger, zu denen andererseits auch die Gerolde gezählt werden; Brüder: Gerold, nach Entmachtung der Agilolfinger (Sturz Tassilos III. 788/794) Präfekt in Bayern (†799); Udalrich, Stammvater der Udalrichinger oder Ulriche, die im Bodenseegebiet sehr einflußreich waren; Voto; vielleicht auch Megingoz; im Rhein-Maingebiet begütert; Onkel mütterlicherseits: Ruadbert (nach †800/801):
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet seit 771 (oder 772) mit Karl, dessen dritte Frau sie geworden war und dem sie neun Kinder gebar: Karl der Jüngere (geb. 772/773, †792), Mönch in Prüm; Adelheid (geb. 773, †794); Rotrud (geb. um 775), 781-787 für das Eheprojekt mit dem byzantinischen Kaiser Konstantin VI. vorgesehen, seit etwa 800 unterhielt sie eine informelle Verbindung mit dem neustrischen Grafen Rorico/Rorgo; aus dieser Verbindung ging der Sohn Ludwig hervor, der später Abt von Saint-Denis wurde; Pippin (Karlmann), (geb. 777), 781-810 König von Italien; Chlodwig/Ludwig (geb. 778), 781 König von Aquitanien, der spätere Kaiser Ludwig der Fromme 814-840; Chlothar/Lothar (geb. 778, †778/780); Bertha (geb. 779/780), lebte in einer nicht sanktionierter Verbindung mit Abt Angilbert von Saint-Riquier (†814), aus dieser Verbindung die Söhne Nithard, der Historiograph (†845), und Hartnid hervorgingen; Gisela (geb. 781, † nach 800); Hildegard (geb. 782, †783.
Laufbahn: H.s Vater hatte sich durch seine Heirat mit Imma mit jener Familie verbunden, die in Alemannien in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts über eine herausragende politische Machtposition verfügt hatte. Die mächtige Stellung der Familie mag für Karl ein maßgebliches Movens gewesen sein, seine zweite Frau, die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius (757-774) unbekannten Namens, zu entlassen und H. zu ehelichen. Mit dieser Eheverbindung war die Absicht verbunden, den alemannischen Adel im regnum seines Bruders Karlmanns (†771) an sich zu binden, umgekehrt trug die durch diese Heirat vermittelte Königsnähe dazu bei, das Ansehen der Gerold-Imma-Sippe wesentlich zu steigern. Aus dieser Familie leiteten sich auch die Ulriche oder Udalriche her, die als Grafen von Bregenz im Gebiet des heutigen Österreich agierten, und deren Herrschaft früher begann und länger dauerte als die der anderen Geschlechter im österreichischen Raum, denen Kontinuität beschieden war, wie der Babenberger und Otokare.
Die Heirat war wohl 771 erfolgt. Der erste Sohn Karl wurde 772/773 geboren. Ihre etwa zwölf Jahre währende Ehe mit Karl fällt in eine politisch sehr aktive Zeit. Karl war unterwegs auf zahlreichen Kriegszügen gegen die Sachsen, Langobarden (Entmachtung des Langobardenkönigs Desiderius 774) und ins nördliche Spanien, auf denen ihn H. mehrmals begleitete. 773/774 zog sie mit ihm ins Langobardenreich, wo ihre Tochter Adelheid geboren wurde, die früh verstarb. Karl und H. geben gemeinsam am 16. Juli 774 in Pavia die Insel Sirmione am Gardasee an die Abtei Saint-Martin in Tours. Aus einem Privileg Papst Hadrians I. (772-795) geht hervor, dass H. und der König dem Kloster Saint-Denis Kirchen im Veltlin schenkte. Aus einem Gedicht geht hervor, dass H. der Anastasiuskirche in Corte Olona eine Altardecke vermacht habe. In einer ohne Datum überlieferten Urkunde schenkt König Karl in Florenz zu H.s Seelenheil vier zum dortigen Königshof gehörende Häuser an die Kirche San Miniato.
Am 1. September 774 hielt sich H. gemeinsam mit Karl anlässlich einer Kirchweihe im Kloster Lorsch auf. Als König Karl 778 gegen die Araber in Spanien rüstete blieb die schwangere H. in Aquitanien in der Pfalz Cassinogilus (Chasseneuill bei Vienne) zurück. Während Karls Abwesenheit schenkte sie männlichen Zwillingen das Leben, Chlodwig/Ludwig, der spätere Kaiser Ludwig der Fromme (814-840) und Chlothar/Lothar, der bald nach der Geburt starb (779).
780/781 beleitete H. Karl erneut nach Italien. 781 feierten H. und Karl zusammen das Osterfest in Rom. Bei dieser Gelegenheit wurde der in Italien geborene Sohn Karlmann von Papst Hadrian getauft. Das von Karl und H. in Auftrag gegebene sogenannte Godescalc-Evangelistar (benannt nach dem Schreiber) soll an dieses Ereignis erinnern.
H.s Aufenthalte in Italien und die Schenkungen, die sie gemeinsam mit Karl oder dieser vorgenommen hat, stimmen gut mit der Forderung in einem undatierten Kapitular Karls oder seines Sohnes Pippin überein, demnach eine Aufzeichnung der Güter angefertigt und dem König vorgelegt werden solle, die H. übertragen worden waren. H. scheint nach der Entmachtung des König Desiderius und seiner Frau Ansa, über Besitzungen und Klöster, über die Ansa verfügte, wie San Salvatore/Santa Giulia in Brescia, dem auch andere Klöster unterstanden, über das Ansa die tatsächliche Herrschaft ausübte, die Rechtsnachfolge angetreten zu haben.
H. gebar insgesamt acht Kinder; neben den bereits erwähnten Kindern brachte sie noch vier weitere Töchter auf die Welt: Rotrud (um 775), Bertha (779/780), Gisela (781) und Hildegard (782).
Ein Nahverhältnis bestand nach Auskunft der Vita Leobae Rudolfs von Fulda zwischen H. und Lioba, der Mitarbeiterin des Bonifatius (†754). Auch zur Abtei Kempten im Allgäu hatte H. eine nicht genau zu bestimmende engere Beziehung, die bis in die Neuzeit hinein in legendenhafter Stilisierung immer wieder beschworen wurde, wenn es darum ging, Vorteile für das Kloster zu erlangen.
Am 30. April 783 starb H. in der lothringischen Pfalz Diedenhofen; sie war bei Ihrem Tod zwischen 24 und 26 Jahre alt. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in der Kirche des heiligen Arnulf in Metz, des Hausheiligen und Ahnvaters der Karolinger.
L.: Bilgeri 1971, Borgolte 1986, Brunner 1994, Dienemann-Dietrich 1952, Dopsch/Brunner/Weltlin 1999, Geuenich 1989, Heidrich 1988, Jarnut 1882, Konecny 1976, Nelson 1991, Nelson 1998, Schieffer 1997, Schmid 1957, Schmid 1983, Schreiner 1975, Wolf 1996, Zöllner 1965
Ingrid Roitner