Heller-Ostersetzer Hermine; Malerin und Grafikerin

Geb. Wien, 23.7.1874
Gest. Grimmenstein, NÖ, 8.3.1909

Herkunft, Verwandtschaften: H. O. wird als eines von fünf Kindern des Adolf Ostersetzer in Wien geboren. Ihr Vater wurde 1832 bei Brody, einer Stadt in Galizien geboren. Er war ein Sohn des Vorstehers der Talmudschule im jüdischen „Schtetl“ bei Brody. H. O. stammte aus dem sogenannten aufgeklärten Judentum, ihr Vater fördert das Zeichentalent seiner Tochter, die Mutter wird nie erwähnt. Adolf Ostersetzer und sein Bruder Sigismund wanderten nach Wien aus und gründeten 1861 eine Firma, die Papierschirme für Petroleumlampen, Umhüllungen für Zuckerhüte und Spitzenpapiere herstellte. Der finanzielle Erfolg der Firma Ostersetzer war mäßig.

LebenspartnerInnen, Kinder: 1901 heiratet H. O. den Buchhändler Hugo Heller (1870-1923). Nach ihrer Hochzeit nennt sie sich Heller-Ostersetzer. Hugo Heller ist ab 1894 Mitarbeiter der Wiener Volksbuchhandlung von Ignaz Brand in der Wiener Gumpendorferstraße 8. Diese Buchhandlung ist auch im Verlagswesen tätig und verlegt die Schriften von Karl Kautsky, Friedrich Austerlitz, Max Adler und Otto Bauer. Außerdem erscheinen in diesem Verlag „Sozialpolitische Flugschriften“ und ein von Hugo Heller herausgegebenes „Österreichisches Proletarierliederbuch“. Außer ihrem Mann Hugo Heller, hinterlässt H. H.-O. zwei Söhne, von denen einer, Thomas Heller, nach New York emigriert und dort am 24.Juni 1984 stirbt.

Ausbildungen: Die erste Ausbildung zur bildenden Künstlerin erhält H. O. in einem Zeichenkurs, der von Joseph-Eugen Hörwarter an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Wien abgehalten wurde. Ab 1897 ist sie Schülerin der Wiener Kunstgewerbeschule bei Myrbach und Karger, dann bei Kalckreuth in Stuttgart.

H.O. war als Zeichnerin für die Zeitschrift „Wiener Mode“ tätig. 1897 tritt H. O. in die Kunstgewerbeschule des Freiherrn von Myrbach, einem Illustrator von Szenen aus dem Militärbereich, ein. Bei ihm erlernt sie den Stil der Algraphie, einem Flachdruckverfahren, bei dem Aluminiumblech als Druckfläche verwendet wird. Dieses Verfahren verwendet H. O. in ihren späteren Arbeiten häufig; so auch in ihrem auf 1900 datierten Zyklus „Das Leben der Armen“. 1899 stellt H. O. als Myrbachs Schülerin bei der Pariser Weltausstellung einige ihrer Arbeiten aus. Während ihrer Ehe ist H. O. Schülerin von Karl Karger an der Wiener Kunstgewerbeschule, bis sie mit ihrer Familie 1903 nach Stuttgart übersiedelt. In dieser Zeit gestaltet sie viele Titelblätter für Flugblätter und Arbeiterfestschriften. Da diese Grafiken nur selten namentlich gekennzeichnet sind, ist es schwierig die Zahl der von H. O. in diesem Bereich geschaffenen Werke festzustellen.

Nach ihrer Übersiedelung nach Stuttgart arbeitet H. O. an der Stuttgarter Kunstakademie, wo sie in dem Grafen Kalckreuth einen Förderer findet. Kalckreuth schlägt sie für die Aufnahme im Deutschen Künstlerbund vor, in dem sie auch aufgenommen wird. Im Rahmen des Deutschen Künstlerbundes stellt H. O. in München, Berlin, Weimar und Dresden aus. Sie erhält den begehrten Preis der Rothschild-Stiftung. Nach Wien zurückgekehrt stellt H. O. in der Sezession aus und 1906 in der Galerie Mithke. Von diesem Zeitpunkt an bis zu ihrem baldigen Tod ist über das künstlerische Schaffen H. O.s nichts mehr bekannt. Wahrscheinlich hinderte sie ihre Krankheit an der Fortsetzung ihres Werkes. H. O. stirbt am 8. März 1909 in einer Lungenheilstätte bei Grimmenstein, sie wird in Gotha beigesetzt.

H. O. starb im Alter von 35 Jahren; sie ist ihren künstlerischen Weg, der so früh geendet hat, bei aller Unterstützung von Lehrern und Verwandten, eigenständig gegangen. Ihr Werk umfasst den Zyklus „Das Leben der Armen ist bitterer als der Reichen Tod“, eine Sammlung sozialkritischer Zeichnungen, im algraphischen Verfahren hergestellt, sowie zahlreiche Landschaftsbilder, Portraits und Akte. Sie war nicht nur Zeichnerin und Grafikerin, sondern ihre Arbeitstechniken erstreckten sich auf Pastell-, Öl-, und Aquarellmalerei. Einige ihrer Gemälde sind: „Der Briefträger“, „Alte Dame in einem Fenster“, „Goldfische“ sowie zwei unvollendete Selbstportraits.

Qu.: Judaica-Archiv/ÖNB, Tagblattarchiv/AK (Personenmappe).

W.: Das Leben der Armen. Zyklus. etc.

L.: Bruegger 1999, Keckeis/Olschak 1953/54, Kranister 1988, ÖBL, Rößler 1909, Thieme/Becker 1992, Wagner 1992, Die christliche Kunst, Jg. 3, 1906/07, Beilage 2., München

Karin Nusko