Hauser Gerda, Buchhalterin, Sekretärin und Stalin-Opfer
Geb. 8.6.1909, Weckelsdorf, Böhmen
Gest. 17.10.1976, Irkutsk, SU

Gerda Hauser wurde 1909 in Weckelsdorf (Teplice nad Metují) in Ostböhmen geboren. Die Familie übersiedelte 1912 nach Wien, wo Hausers Vater als Buchhalter in einer Fabrik arbeitete, bis er 1931 entlassen wurde und sich als Delikatessenhändler selbständig machte. Gerda Hauser verbrachte 1919 ein Jahr in Holland. Nach der Matura, die sie 1928 an einem Realgymnasium ablegte, studierte sie ein Jahr an der Hochschule für Welthandel in Wien. Als ihre Eltern entdeckten, dass sie Mitglied der Kommunistischen Jugend war, setzten sie sie unter Druck. Gerda Hauser verließ daraufhin das Elternhaus, brach das Studium ab und begann als Hilfsarbeiterin in einer Kartonfabrik zu arbeiten. Drei Monate später versuchte sie als Kolporteurin der Roten Fahne ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 1930 bis 1931 lebte sie dann mit ihrem ersten Mann, dessen Name nicht bekannt ist. 1931/32 arbeitete sie ein Jahr als Sekretärin des ZK der KPÖ, später zeitweise als Sekretärin im Geschäft ihres Vaters. 1928 nahm sie als Pionierleiterin an einer Exkursion von deutschen Pionierleitern nach Moskau teil. 1930 leitete sie eine KPÖ-Straßenzelle in Ottakring, 1931 war sie Organisationsleiterin der Wiener KP-Frauenabteilung, hatte auch andere Funktionen. 1933 war sie wegen Schwangerschaft von der Parteiarbeit befreit. 1934 wurde sie, ebenso wie ihr zweiter Mann (oder Lebensgefährte) Karl Ditscheiner wegen Waffenbesitzes für den Schutzbund verhaftet. Ditscheiner wurde im November 1934 zum Tode verurteilt, aufgrund internationaler Proteste begnadigt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. 1936 wurde er amnestiert, er begab sich sogleich nach Spanien zu den Internationalen Brigaden, wo er im Bürgerkrieg ums Leben kam.

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis fuhr Gerda Hauser Anfang 1935 mit ihren zwei Kindern (das zweite Kind stammte aus der ersten Ehe Ditscheiners) nach Prag. Nachdem sie am sowjetischen Konsulat einen sowjetischen Pass erhalten hatte, reiste sie nach Moskau weiter, wo sie Anfang Juli 1935 ankam. Dort begann sie als Lehrling in einer Uhrenfabrik zu arbeiten. Im September 1936 begann sie ein Studium im Lehrkombinat für Luftschiffbau (DUK) in Tušino, das damals noch außerhalb von Moskau lag. Ursprünglich sollte sie unter dem Decknamen Herta Stelze ein Studium an der Komintern-Kaderschule KUNMZ (Коммунистический университет национальных меньшинств Запада имени Ю.Мархлевского) absolvieren, sie wurde jedoch von der Aufnahmekommission der Komintern abgelehnt, weil sie das gebotene Verschweigen der Lehrgangsteilnahme gegenüber Franz Roscher gebrochen hatte. Mit Roscher war sie seit der Pionierarbeit in Wien 1929 bekannt, sie traf ihn 1935 in Moskau wieder. Nach kurzer Lebensgemeinschaft trennte sich das Paar im Mai 1936.

Wahrscheinlich stand Hausers Verhaftung am 5. Februar 1938 im Zusammenhang mit Roscher, der kurz vorher verhaftet worden war. Bei einem Verhör kam es zu einer Gegenüberstellung, die beiden durften dabei aber kein Wort sprechen. In der Anklageschrift wird Hauser einmal der Spionage für Deutschland bezichtigt, ein andermal für die Tschechoslowakei. Sie wurde schließlich am 26. Mai 1938 zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt und in ein Lager in Nordostsibirien deportiert, wo sie in einer Sowchose arbeiten musste. 1948 wurde sie entlassen, musste aber bis 1956 in der Verbannung leben.

Im Dezember 1955 wurde im Zuge der Rehabilitierung festgestellt, dass die beiden Personen, denen Hauser angeblich Informationen weitergegeben habe, vermutlich gar nicht existierten. Hauser arbeitete dann mehrere Jahre als Buchhalterin in einem Bergwerk im sibirischen Norden. 1958 richtete sie aus der Siedlung Kutulik in Burjatien ein Ansuchen um Herausgabe von Dokumenten über ihre Ausbildung an das Moskauer Militärtribunal; sie war damals wieder verheiratet und trug den Namen Martynenko. Später arbeitete sie als Klavierlehrerin in Irkutsk. 1963 trat sie in die KPdSU ein. Ihre Tochter Susanne (Karlovna) Levina lebt in Podol’sk bei Moskau. Gerda Hauser starb 1976 in Irkutsk.

Der während der Besatzungszeit 1947 in Niederösterreich von den Sowjets verhaftete Herbert Killian lernte Gerda Hauser 1951 in der Verbannung in Jagodnoe (Магаданская область) kennen. Obwohl sie durch die Verhaftung ihre Familie verloren hatte, war sie Kommunistin geblieben. Sie besuchte Killian später noch einmal in Österreich (1967).

Qu. u. L.: DÖW – Österreichische Stalin-Opfer (RGASPI, GARF, http://www.memo.ru/history/arkiv/op1017.htm)

Herbert Killian, Geraubte Freiheit. Ein Österreicher verschollen in Nordostsibirien, Berndorf 2008, S. 58-61.