Friedmann Konstanze (Constanze), geb. Glaser, verh. Friedmann, verh. Ermers, Ermers-Glaser; Philosophin und Pazifistin
Geb. Wien, 14.7.1889
Gest. GB, 1941

Herkunft, Verwandtschaften: Constanze Gabriele Glaser wurde am 14. Juli 1889 in Wien als zweite Tochter von Cornelie, geb. Kohn-Holländer und Dr. Heinrich Glaser, Hof- und Gerichtsadvokat, in eine angesehene, aus Böhmen stammende jüdische Familie geboren. Vier Jahre älteren Schwester Philippine, später verheiratete Hannak (1885-197) und erste weibliche Bibliothekarin an der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Arbeiterkammer Wien. Die Schwestern blieben zeitlebens in enger Verbindung. 1906 trat Constanze Glaser – wie zuvor schon ihre Schwester – aus der IKG aus, trat zum evangelisch-lutherischen Glauben über.

Ausbildungen: 1913 Wiederaufnahme (nach jahrelanger Unterbrechung) der vor der Ehe begonnenen Gymnasialstudien in Wien, März 1915 Matura, Sommersemester 1915-1916 Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Herbst 1919 Absolutorium, Diss. bei Prof. Stöhr/Prof. Reininger, physikalisches Praktikum-Kolloquium aus Experimentalphysik bei Prof. Exner.

LebenspartnerInnen, Kinder: 1907 Heirat mit dem Romanisten Dr. Wilhelm Friedmann (1884-1942). Nach Wilhelm Friedmanns Rückkehr aus vierjähriger russischer Kriegsgefangenschaft erfolgte die Scheidung. Gemeinsam blieb den beiden allerdings ihr großes Engagement für den Pazifismus. Wilhelm Friedmann wechselte nun von Wien an die Universität Leipzig, wo er nach weiteren akademischen Karriereschritten als Privatdozent und Lektor schließlich 1930 eine außerordentliche Professur erlangte. 1933 erfolgte, offiziell aufgrund seiner pazifistischen Gesinnung und seiner engen Kontakte zu linken französischen Intellektuellen, inoffiziell wohl wegen seiner jüdischen Abstammung (er war wie Constanze evangelisch-lutherischer Konfession) die Entlassung nach Paragraph 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Friedmanns Fluchtweg führte über Frankreich nach Spanien, wo er 1942 von der Gestapo verhaftet wurde. Im Dezember 1942 beging Friedmann in der Gestapo-Haft Selbstmord.

Um 1924 war Constanze kurzzeitig mit dem Schriftsteller, Kunsthistoriker und Leiter des „Siedlungsamtes der Stadt Wien“, Dr. Max Ermers (1881-1950), verheiratet. Max Ermers regte nach dem 1. Weltkrieg den Bau zahlreicher Siedlungen im Wiener Gemeindegebiet an. Er publizierte und warb für den Siedlergedanken. In dieser Funktion arbeitete er mit Architekten wie Adolf Loos, Josef Frank und Margarete Schütte-Lihotzky zusammen. Ermers emigrierte 1939 nach England und kehrte 1948 nach Wien zurück.

Laufbahn: Im Jahr 1919 promovierte Constanze Friedmann bei den Wiener Philosophen Adolf Stöhr und Robert Reininger mit der Arbeit „Psychologische Momente in der Ableitung des Apriori bei Kant. Versuch einer Aufhebung von Transzendentalismus und kritischem Psychologismus“. Die Arbeit wurde 1921 in den renommierten „Kant-Studien“ veröffentlicht.

In Fortführung ihrer Gedanken veröffentlichte die Philosophin im Jahr 1933 – nun unter ihrem ursprünglichen Namen Constanze Glaser – in den „Kant-Studien“ einen weiteren Beitrag mit dem Titel „Realisten und Idealisten. Die menschlichen Grundtypen. Versuch einer Darstellung und Aufweisung ihrer kategorialen Gültigkeit“.

Constanze Glaser veröffentlichte aber nicht nur in philosophischen Fachorganen, sondern ebenso in allgemein frequentierten Medien. Nachweisbar sind Artikel in der „Arbeiter Zeitung“, der Zeitschrift der Arbeiterkammer, „Arbeit und Wirtschaft“ sowie dem theoretischen Organ der Arbeiterbewegung „Der Kampf“, welche Constanze Glaser als überzeugte – mit der historischen Entwicklung der Friedensbewegung und ihren ProtagonistInnen vertraute – Pazifistin ausweisen.

Vier Monate später, im August 1927 erschien – diesmal unter dem Namen Konstanze Glaser in der „Arbeiter Zeitung“ ihr großes Pllädoyer für den Frieden: „Der zukünftige Krieg. Die Greuel der Giftgase“.

Constanze Glaser gelang im Sommer 1938 die Flucht nach England, wo sie 1941 nach langer Krankheit mit nur 52 Jahren an Krebs verstarb. Es ist das traurige Ende einer in vielen Bereichen engagierten Frau, die – dies zeigen ihre zahlreichen Artikel in unterschiedlichen Medien – ihre wissenschaftlichen (philosophisch begründeten) Erkenntnisse auch einem breiteren Publikum zugänglich machen wollte.

Schon die wenigen Mosaiksteine, die bislang zu ihrer Biografie aufgefunden werden konnten zeigen sie eingebunden in ein diskursives Netzwerk engagierter, gesellschaftspolitisch fortschrittlicher und politisch vorwiegend sozialdemokratisch orientierter Menschen aus dem Kontext des „Roten Wien“.

Ihr prononciert artikulierter Pazifismus und die damit in Verbindung stehenden Kontakte brachten sie, zusätzlich zu ihrer jüdischen Herkunft, ins Kreuzfeuer der Nationalsozialisten, für die der Pazifismus neben dem Liberalismus und dem Marxismus zu den ideologischen Hauptfeinden gehörte. Zahlreiche PazifistInnen wurden inhaftiert, in ein Konzentrationslager verbracht oder konnten gerade noch rechtzeitig das Land verlassen, wie es bei der hier erwähnten Helene Stöcker – wohl einer der bekanntesten Pazifistinnen im deutschsprachigen Raum – der Fall war.

W. u. a.: (Friedmann, Constanze): Psychologische Momente in der Ableitung des Apriori bei Kant. Versuch einer Versöhnung von Transzendentalismus und kritischem Psychologismus. In: Kant-Studien 1921, Vol. 26/1, S. 312-350 (ursprünglich Diss. Univ. Wien, D-1919.

(Glaser, Konstanze): Philosophische Grundtypen. In: Arbeiter-Zeitung, 16. August 1924, Nr. 226, S. 8.

(Ermers-Glaser, Constanze): Psychologische Berufsberatung. In: Arbeit und Wirtschaft, 2. Jg. 1924, Nr. 2.

(Glaser, Konstanze): Überblick über einige Gebiete der Psychotechnik. In: Der Kampf. Sozialdemokratische Monatsschrift Bd. 18 1925, S. 267-271.

Ein Beitrag zur Geschichte des Pazifismus. Arbeiter-Zeitung vom 12. April 1925.

Der zukünftige Krieg. Die Greuel der Giftgase. Arbeiter-Zeitung vom 19. Juli 1925.

(Glaser, Constanze): Realisten und Idealisten. Die menschlichen Grundtypen. Versuch einer Darstellung und Aufweisung ihrer kategorialen Gültigkeit. In: Kant-Studien 1933, Vol. 38/1, S. 118-152.

L.: Tabakow Robert: Friedmann Constanze. In: Korotin, Ilse (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1, Böhlau, Wien/Köln-Weimar 2016, S. 922f.

Korotin, Ilse: Bertha von Suttners „Töchter“: Das Beispiel Constanze Glaser, verh. Friedmann, verh. Ermers (1889-1941), Philosophin. Eine Spurensuche. In: Schäfer, Elisabeth/Buchhammer, Brigitte (Hg.): Erinnerung und Gedächtnis. Kunst – Philosophie – Feminismus. Festschrift für Ingvild Birkhan zum 80. Geburtstag. LIT Verlag, Wien 2020, S. 179-192.

 

Ilse Korotin/Robert Tabakow