Freundlich Emmy, geb. Emma Kögler, Emmi; Nationalrätin, Verbandsfunktionärin und Schriftstellerin
Geb. Aussig, Böhmen (Usti nad Labem, Tschechien), 25.6.1878
Gest. New York City, New York, USA, 16.3.1948 (17.3. Riverside Chapel, N. Y.)

Herkunft, Verwandtschaften: Stammt aus einer deutschprachigen, protestantischen, bürgerliche Familie; Vater: Adolf Kögler (†1895), Ingenieurassistent beim Bau der Staatsbahn und der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, bis 1883 liberaler Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Aussig; Mutter: Emma, Hausfrau; älterer Bruder Karl, fünf Jahre jüngere Schwester Martha; nach dem Tod des Vaters kehrte E. F. nach Hause zurück, kümmerte sich um die finanzielle Situation der Familie, pflegte die lungenkranke, bettlägrige Mutter, erzog ihre jüngere Schwester und führte den Haushalt. Nach dem Tod der Mutter (†1896) organisierte sie die geschäftlichen Angelegenheiten der Familie. Durch ihren Onkel, Carl Kögler, kam sie mit den Ideen der Sozialdemokratie in Kontakt und entschied sich für ein eigenständiges Leben abseits ihrer Familie. E. F. erbte von ihrem Vater Häuser in Aussig und Wien und kannte keine existenziellen Probleme.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1900 Heirat mit Leo Freundlich (1875-1954), Herausgeber der sozialdemokratischen Volkswacht in Mährisch-Schönberg, 1906 Reichsratsabgeordneter, 1912 Scheidung; Töchter: Hertha (*1901), Sekretärin von Karl Renner; Gertrude (*1902), Chemikerin; beide flüchteten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach Genf zu ihrem Vater, E. F. holte sie nach London, später Emigration in die USA.
Ausbildungen: Kam mit 13 Jahren in ein protestantisches Mädchenpensionat, um auf die Rolle als Hausfrau vorbereitet zu werden; private, nationalökonomische Studien.
Laufbahn: Ihr sozialdemokratisches Engagement führte zum Bruch mit einem Großteil ihrer Verwandtschaft, Politikerin in der SDAP; am Parteitag 1900 als Delegierte für die Frauenorganisationen Reutenhau, Philippstadt, Wienberg; nach ihrer Heirat Umzug nach Mährisch-Schönberg und aktiv in der beginnenden Heimarbeiterinnen-Bewegung, in der Organisierung von Textil- und Tabakarbeiterinnen sowie im Aufbau des Arbeiterheims, das 1903 unter der Leitung ihres Mannes eröffnet wurde; seit 1907 vom Frauenreichskomitee mit der gewerkschaftlichen Arbeit betraut, seit 1908 Vertrauensperson im Aufbau der politischen Frauenvereine in Mähren; 1907-28 Mitarbeiterin der sozialistischen Monatsschrift „Der Kampf“, 1909-33 Delegierte u. a. des Reichsfrauenkomitees bzw. des Frauenzentralkomitees auf allen Parteitagen. Kam 1911 nach Wien.
1912 Mitbegründung des „Genossenschaftlichen Frauenkomitees“ innerhalb der „Arbeiter-Konsumvereine“ und der genossenschaftlichen Fraueninternationale, 1914 Redaktion der ersten genossenschaftlichen Frauenzeitung. Im 1. Weltkrieg Übernahme der Funktionen der Konsumgenossenschaften in den „Lebensmittelverbände(n) der kriegsleistenden Arbeiter“, ab 1916 als Spezialistin im Ernährungsbeirat im Staatsamt für Volksernährung, von 1919-22 dessen Direktorin. Mit dieser Position hatte E. F. die zu ihrer Zeit höchste weiblich besetzte Stellung im österreichischen Staatswesen inne.
1917-1923 Sekretärin des Reichsvereines der Kinderfreunde, 1918-1923 Mitglied des Wiener Gemeinderates, 1921-1948 Präsidentin der „International Cooperative Women’s Guild“ (ICWG), 1929 Delegierte im Komitee der Wirtschaftssektion des Völkerbundes (als einzige Frau), 1934 Haft, 1939 Emigration nach London, Mitglied des Austrian Labour Clubs, 1943 Mitbegründerin und Vorsitzende des Austrian Committee for Relief and Reconstruction, 1947 Übersiedlung nach New York, dort Beobachterin der ICWG beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO.
E. F. war in die kontroversiellen Diskussionen mit Therese Schlesinger um die Organisationsform von Frauen innerhalb der SDAP eingebunden. Sie vertrat darin den Standpunkt der Gewerkschaften, welche politisch nichtgewerkschaftliche Frauenvereine für tendenziell überflüssig einschätzten, sowie die Notwendigkeit der Zurückstellung der Forderung des Frauenwahlrechts. Im Nationalrat agierte E. F. vor allem in wirtschafts- und finanzpolitischen Angelegenheiten. Aus den stenographischen Protokollen wird deutlich, dass sie auf diesem Männerterrain zum Feindbild wurde. Mit der Wahl zur Vizepräsidentin des Vorbereitungskomitees für die internationale Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes wurde E. F. zu einer Symbolfigur der emanzipierten Frau, auch in den Augen der Frauen des BÖFV. Ihr parteipolitischer Schwerpunkt lag in der Ersten Republik bei den Genossenschaften, sie war in leitender Position am Aufbau der gemeinwirtschaftlichen Betriebe beteiligt. Mit den Konsumgenossenschaften versuchte sie die Arbeit der Hausfrauen gesellschaftspolitisch aufzuwerten. Den 3 K.s der Christlichsozialen, Kinder-Küche-Kirche, stellte sie vier K.s, Kinder-Küche-Kleidung-Kaufen gegenüber und versuchte, die Hausfrauen durch Haushaltungskurse, Vorträge, Feste, Kasperltheater und Schokoladennachmittage samt ihren Kindern zu gewinnen. Frauen konnten jedoch nur dann in den Genossenschaften mitbestimmen, wenn sie einen Geschäftsanteil besaßen. Zwei dieser Anteile pro Familie war selten und so saß meist der Familienvater stimmberechtigt in den Versammlungen.
Ausz.: 2004 wurde in Wien Floridsdorf (21. Bezirk) die Emmi-Freundlich-Gasse nach ihr benannt.

Qu.: Österr. IfZ Wien, Nachlass Motzko, IfZ München; DÖW, VGA, WStLa, MA 8, Meldearchiv.
W. u. a.: „Die Frauen und die Reichsratswahlen. Sozialdemokratische Werbeschriften zum Wahlkampf Nr.18“ (1911), „Arbeiterinnenschutz. Lichtstrahlen Nr. 24“ (1913), „Die Frauen und die Genossenschaften. In: Gleiches Recht für die Frauen. Hg. v. Adolf Braun“ (1914), „Die Frau in der internationalen Genossenschaftsbewegung“ (1921), „Die Hausfrau, der Einkaufskorb und der Konsumverein“ (1922), „Die Macht der Hausfrau. Ein Aufruf an die Hausfrauen“ (1927), „Die Frauenarbeit im Krieg. In: Leichter, Käthe (Hg.): Handbuch der Frauenarbeit“ (1930), „Wesen, Aufgaben und Organisation der österreichischen Genossenschaftsbewegung. Hrsg. vom Zentralverband österreichischer Konsumvereine Wien“ (1933), „Eine Geschichte über Genossenschaftskunde für Kinder und Erwachsene“ (1936), „Internationale genossenschaftliche Frauenkonferenz“ (1946)
L.: Baltzarek 1975, Bechtel 1989, BLÖF, Ellmeier/Singer-Meczes 1989, Hauch 1995, ÖBL, ÖNB 2002, Röder/Strauss 1980-83, Schroth 1964/1978, Strommer 2008, Wedel 2010, Wikipedia, www.aeiou.at, www.dasrotewien.at, www.onb.ac.at/ariadne/, www.parlament.gv.at/