Frenkel-Brunswik Else, verh. Brunswik; Psychologin
Geb. Lemberg, Galizien (Lwiw, Ukraine), 18.8.1908
Gest. Berkeley, Kalifornien, USA, 31.3.1958
Herkunft, Verwandtschaften: Stammt aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie. Vater: Abraham Frenkel (*1878) stieg vom kleinen Bankangestellten zum Besitzer einer Privatbank auf; vor Ausbruch des 1. WK Übersiedlung von Ostgalizien nach Vöslau, 1918 nach Wien. 1939 Emigration nach Palästina; Mutter: Henie (Helene), geb. Gelernter (*1879); Geschwister: Johanna, verh. Urabin; Martha, verh. Fischler, beide überlebten den Holocaust.
LebenspartnerInnen, Kinder: Seit Ende der 1920er Jahre liiert mit Egon Brunswik (1903-1955), 1938 auf dem Schiff nach New York Heirat, Egon Brunswik hatte einen festen Posten an der University of California, E. F.-B. konnte die Präferenzquote für Flüchtlinge, deren Angehörige einen festen Posten hatten, in Anspruch nehmen.
Ausbildungen: E. F.-B. besuchte das Realgymnasium der Schwarzwaldschen Schulanstalten. Im Herbst 1926 inskribierte sie Mathematik und Physik an der Universität Wien, ein Jahr später wechselte sie zur Psychologie und promovierte 1930 mit der Dissertation „Das Assoziationsprinzip in der Psychologie“. 1932 folgte eine achtmonatige Psychoanalyse, 1937 eine weitere. Im Studienjahr 1937/38 scheint sie auf einer TeilnehmerInnenliste eines Lehrgangs am psychoanalytischen Lehrinstitut auf, im März 1938 brach sie die Therapie ab.
Laufbahn: Nach dem Studium übernahm E. F. eine von Mitteln der Rockefeller Foundation bezahlte Assistentinnenstelle am Wiener Psychologischen Institut von Karl und Charlotte Bühler (Abteilung für biografische Studien). 1938, nach einem Verhör bei der Gestapo, folgte die Emigration nach New York, wo sie am 9. Juni 1938 ankam. Aufgrund der „Anti-nepotism-rule“ hatte sie anfangs keine Möglichkeit, am Psychologie-Department in Berkeley zu unterrichten. Sie gab ab Herbst 1943 Unterricht ohne Gehalt. Seit 1939 war sie Research Associate am renommierten Institute of Child Welfare der University of Berkeley, wo unter ihrer Mitwirkung großangelegte kinder- und jugendpsychologische Studien durchgeführt wurden. Die Finanzierung ihrer Stelle erfolgte durch private Mittel. Ab Anfang 1943 arbeitete sie mit Sanford und Levinson an einem Projekt zur Erforschung des Antisemitismus. Im Mai 1943 knüpfte sie Kontakt zu dem von Max Horkheimer geleiteten Institut für Sozialforschung, das seit 1942 mit der finanziellen Unterstützung des American Jewish Committee umfangreiche Studien über antisemitische Vorurteile zu planen begonnen hatte. Es folgte die Mitarbeit der Berkeley-Gruppe an dem Teilprojekt über die Authoritarian Personality mit Theodor W. Adorno. E. F.-B. hatte einen wesentlichen Anteil an dieser Forschung, die als eine der großen Pionierstudien, als „Milestone Study“ moderner Sozialforschung, gilt. Von 1947 an war E. F.-B. in verschiedenen Positionen, u. a. Research Psychologist and Psychotherapist am Cowell Memorial Hospital der University of California und Associate Research Psychologist am Institute of Industrial Relations der University of California. 1950 erschienen die Ergebnisse o. a. Studien und sie erhielt eine Einladung an das Institute of Social Research der Universität Oslo. Im folgenden Jahr unternahm sie mit einem Rockefeller-Stipendium eine Reise durch Europa. 1954/55 erhielt sie ein einjähriges Stipendium am neu gegründeten Center for Advanced Studies in the Behavioral Sciences in Stanford, eine Auszeichnung für die besten WissenschafterInnen des Landes. Nach dem Selbstmord ihres Mannes verschlechterte sich ihr psychischer Zustand zunehmend. Als Fulbright-Stipendiatin verbrachte sie das Studienjahr 1956/57 an der Universität Oslo und sie erwägte eine dauerhafte Rückkehr nach Europa. In den USA blieb ihre akademische Position prekär, die erhoffte Professur in Berkeley ließ sich nicht realisieren. Am 31. März 1958 wurde E. F.-B. nach schweren gesundheitlichen Problemen tot auf dem Bett sitzend mit einer Fotografie von Egon Brunswik aufgefunden – sie hatte sich das Leben genommen.
War E. F.-B.s Arbeitsschwerpunkt als Assistentin am Wiener Psychologischen Institut durch die am Institut vorherrschende Abgrenzung zur Psychoanalyse gekennzeichnet, integrierte sie diese in den USA in ihr wissenschaftliches Denken. In den 1950er Jahren versuchte sie eine Klärung des wissenschaftlichen Status der Psychoanalyse mit Hilfe des Logischen Positivismus. Sie hatte schon vor 1938 Kontakt mit Vertretern der „Wissenschaftlichen Weltauffassung“, aber erst im Exil zeigte dies Auswirkung auf ihre wissenschaftliche Arbeit. E. F.-B. war stets um die Entwicklung wissenschaftstheoretischer Grundlagen im Bereich der Psychologie bemüht.
Qu.: Teilnachlass im Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Graz: http://agso.uni-graz.at/bestand/25_agsoe/index.htm.
W.: „Das Assoziationsprinzip in der Psychologie. Phil. Diss. Wien“ (1930 Ersch. unter d. Titel „Atomismus und Mechanismus in der Assoziation“. In: Zeitschrift für Psychologie, Bd. 123), „Gem. mit Weisskopf, Edith: Wunsch und Pflicht im Aufbau des menschlichen Lebens“ (1937), „Gem. mit Adorno, Theodor W., Levinson, Daniel J. u. Sanford, R. Nevitt: The Authoritarian Personality” (1950), „Psychoanalysis and Personality Research. Journal of Abnormal and Social Psychology, 35, S. 176-197. Dt. Übers. In: Dies.: Studien zur autoritären Persönlichkeit. Ausgewählte Schriften“ (1996), „Intolerance of Ambiguity as an Emotional and Perceptional Personality Variable. Journal of Personality, 18“ (1949. Dt. Übers. w. o.), „Psychoanalysis and the Unity of Science. In: Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences, 80” (1954. Dt. Übers. w. o.)
L.: Ash 1998, Benetka 2002, Fischer 1988, ÖNB 2002, Paier 1996, Paier 1997, Reichmayr 1994, Röder/Strauss 1980-1983, Sprung 2002, Weitzel 2000, Wikipedia