Freisinger Hermine, geb. Witta; Schneiderin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 10.5.1899
Gest. Wien, 1992
Die Schneiderin H. F., 1899 in Wien geboren, wurde am 3. Mai 1943 verhaftet. Bereits vor ihrer Deportation ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück waren H. F. und ihre Familie – ihr Ehemann war nach den Nürnberger Rassegesetzen Jude – zahlreichen antisemitischen Diskriminierungen und Bedrohungen ausgesetzt. Bis zum Dezember des Jahres 1938 musste die als jüdisch kategorisierte Familie dreimal die Wohnung wechseln. 1938 nahm man ihr auch den damals 12-jährigen als arisch klassifizierten Sohn, den sie in die Ehe mit dem Hilfsarbeiter Alfred Freisinger (geb. 1. September 1895 in Wien) mitbrachte, weg. Der Ehemann war 1938/39 das erste Mal im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Nach der zweiten Verhaftung wegen „Schleichhandels“ am 3. Mai 1943 wurde er neuerlich nach Dachau deportiert, wo er schließlich auch die Befreiung erlebte. Im Tagesrapport der Gestapo Wien heißt es: „Alfred Isr. Freisinger hat sich mit der Vermittlung von Schleichhandelsgeschäften seiner deutschblütigen Ehefrau befasst. Er hat es außerdem wiederholt unterlassen, den Judenstern zu tragen. […] In der Wohnung der Freisinger wurde die Jüdin Regina Sara Schmuck […] festgenommen. Sie hat sich seit September 1943 in Wien und Umgebung unterstandslos herumgetrieben, um sich der Evakuierung zu entziehen.“ Aus diesem Tagesbericht geht auch hervor, dass Frau H. F. einer weiteren Jüdin, die sich der Deportation entziehen wollte, Unterschlupf gewährte. In einer Haftbezeugung für Hermine Schorna gibt Frau H. F. im Dezember 1953 über ihre eigene Haftzeit zu Protokoll: „Ich selbst wurde am 3.5.1943 in Wien verhaftet, auf die Elisabethpromenade überstellt, von wo ich nach einigen Tagen in das Landesgericht I kam, nach zirka drei Monaten stellte man mich wieder auf die Elisabethpromenade zurück. Im Oktober 1943 kam ich in das KZ Ravensbrück und wurde im Februar 1945 nach Wien entlassen.“ In ihrem Bericht über die Verfolgung und das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück schreibt Frau H. F., dass sie zudem einen Tag im Keller der Gestapo am Morzinplatz und drei Tage im Sammellager Sperlgasse inhaftiert gewesen sei. H. F. ist ebenfalls wie ihr Ehemann wegen Schleichhandels verhaftet worden. Die Beherbergung von Jüdinnen legt allerdings nahe, dass der sogenannte Schleichhandel auch zur Ernährung der Versteckten diente. Zudem wurde Frau H. F. als so genannte Glaubensjüdin verfolgt. Frau H. F. wurde am 5. Oktober 1943 unter der Häftlingsnummer 23852 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück registriert. Während ihrer 17-monatigen KZ-Haft musste sie unter anderem im Revier, einer Art Krankenstation für Häftlinge, arbeiten. Am 10. Februar 1945 wurde sie aus dem Konzentrationslager entlassen. Nach ihrer Rückkehr nach Wien, wo sie abermals im zweiten Wiener Gemeindebezirk lebte, arbeitete H. F. wieder als Schneiderin. H. F.s Sohn kam gegen Kriegsende durch Kriegshandlungen um. Sie war Inhaberin einer Amtsbescheinigung, welche eine politische Verfolgung bestätigt, sowie Mitglied in der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück. Letztere vertrat sie im April 1964 als Delegationsmitglied in Ravensbrück. Frau H. F. verstarb 1992 im 93. Lebensjahr in Wien.
Qu.: DÖW: Erkennungsdienstliche Kartei der Gestapo Wien; http://www.döw.at/php/gestapo/, DÖW: 5734/c (Tagesbericht Nr. 2 der Gestapo Wien vom 4.-6.5.1943), Landesarchiv Oberösterreich: OF (SH) – 110 128, Schachtel 271, Häftlingsdatenbank der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Sonderbestand Ravensbrück am DÖW: 50.503/340; 50.118/12
Helga Amesberger