Foster Edith, geb. Fink; Schriftstellerin
Geb. Wien, 15.9.1914
E. F., geborene Fink, kam am 15. September 1914 in Wien zur Welt. Ihre Eltern, assimilierte Juden und überzeugte Sozialdemokraten, legten großen Wert auf eine gute Ausbildung ihrer Tochter. E. F. erhielt eine humanistische Bildung im Gymnasium und lernte als Jugendliche Geige spielen. Als 14-jährige wurde sie Mitglied des Verbands Sozialistischer Mittelschüler in Währing, wo Persönlichkeiten wie Max Adler, Marie Jahoda und Käthe Leichter Vorträge hielten. Ihr Engagement im Rahmen der Sozialdemokratie prägte E. F. nachhaltig ebenso wie das Erlebnis des zunehmenden Antisemitismus, den sie schon als Schülerin hautnah in der eigenen Klassengemeinschaft zu spüren bekam (Foster, 1989, 55-56).
Ein weiterer wesentlicher Einfluss in E. F.s Leben war die Begegnung mit der Individualpsychologie Alfred Adlers, dessen Vorlesungen sie besuchte. Sie unterzog sich einer Analyse bei der Ärztin und Individualpsychologin Lydia Sicher und arbeitete zusammen mit Danica Deutsch in einer Kinderberatungsstelle in Döbling. Ihr Medizinstudium, das E. F. 1933 begonnen hatte, musste sie wegen finanzieller Probleme abbrechen.
Als die politischen Verhältnisse sich zunehmend verschärften, entschloss sich E. F. zusammen mit ihrem Mann Sam im Sommer 1937 Österreich zu verlassen. Als Rucksackreisende trampten sie durch verschiedene europäische Länder bis in das sozialdemokratisch regierte Schweden. Ein halbes Jahr danach wurden E. und Sam durch die veränderte politische Situation zu Flüchtlingen. E. F. konnte ihren Bruder und ihre Mutter nachkommen lassen, ihrem Vater wurde ein Visum von schwedischer Seite her verweigert.
E. F. lebte sich schnell in Schweden ein. Sie lernte die Sprache und verdiente Geld mit Deutschunterricht und Hilfsarbeiten. Durch die politischen Ereignisse bedroht, versuchte das Ehepaar Visa für ein überseeisches Land zu bekommen. Nach etlichen erfolglosen Ansuchen, erhielten sie schließlich im Dezember 1939 Einreisegenehmigungen für Mexiko. Um nicht mit deutschen Pässen reisen zu müssen, legten Sam und E. ihre Staatsbürgerschaft zurück und beantragten Nansenpässe. Durch die finanzielle Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Schweden war es ihnen möglich am 18. Jänner 1940 per Schiff nach New York aufzubrechen, wo sie auf der vorgelagerten Einwanderungsinsel Ellis Island interniert wurden und erst mit der Hilfe von Verwandten weiterfahren konnten. Über Kuba gelangten sie schließlich nach Mexiko und ließen sich in der Hauptstadt nieder.
Im Mai 1940 kam E.s erster Sohn Jorge zur Welt, zwei Jahre später folgte Tomás. Da beide Kinder in Mexiko geborenen worden waren, wurde auch den Eltern die mexikanische Staatsbürgerschaft zuerkannt. Sam betätigte sich erfolgreich als Unternehmer, wodurch es der Familie möglich war, Freunde aus dem Bereich der Sozialdemokratie finanziell zu unterstützen. E. F. war weiterhin politisch engagiert. Im Jahr 1941 gelang es ihr noch rechtzeitig, Visa für einige verfolgte Freunde und Verwandte in Österreich zu organisieren.
E. F.s Familie war vor allem mit anderen Emigranten befreundet, die einander im Exil gegenseitig beistanden. Zu Mexikanern konnten Sam und E. F. in all den Jahren keinen näheren Kontakt knüpfen. Als ihnen bekannt wurde, dass die australische Regierung Immigranten einlud und auch verschiedene Vergünstigungen anbot, entschloss sich die Familie im Jahr 1948 nach Sydney zu ziehen, wo bald darauf die Tochter Alice zur Welt kam. Die folgenden dreizehn Jahre beschreibt E. F. als die miserabelsten ihres Lebens. Ihrem Bericht nach hatten Frauen zu dieser Zeit in Australien kaum Möglichkeiten sich selbständig zu bewegen, geschweige denn berufstätig zu sein. Als rückständig schildert sie auch das Schulsystem (Foster, 1989, 129). In dieses konservative Umfeld konnte sich E. F. nie wirklich einfinden. Ein unentgeltliches Betätigungsfeld fand sie schließlich in der Worker´s Education Association. Außerdem gründete sie den Samstagsclub für Jugendliche, wo verschiedene Freizeitaktivitäten angeboten wurden.
1961 zog die Familie in die USA, wo sich E. F. bald darauf von ihrem Mann trennte. Nach dem Krieg besuchte sie mehrere Male Österreich. 1983 kam sie zum fünfzigjährigen Maturajubiläum ihrer Klasse nach Wien, worüber sie in ihrem Buch „Maturatreffen” ausführlich berichtet. Auch mit den Ereignissen der Zwischenkriegszeit setzt sie sich auseinander. Sehr kritisch äußert sie sich über manche Schulkollegen, die sich in den dreißiger Jahren der Nazi-Ideologie verschrieben hatten und jüdische Mitschülerinnen und Mitschüler ausgrenzten. Sie schildert ihre eigene sozialdemokratische Gesinnung und ihren anfänglichen Kampfgeist gegen die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten aufzutreten, ihr allmähliches Bewusstwerden der eigenen Machtlosigkeit und schließlich ihren Entschluss Österreich zu verlassen. Über die Wiederbegegnung mit den ehemaligen Schulkolleginnen und -kollegen nach mehr als fünfzig Jahren berichtet sie mit großer Bitterkeit, da sie in der Haltung der meisten ihrer Kollegen gegenüber den vergangenen Ereignissen nach wie vor nur Verdrängung und Verleugnung wahrnehmen kann. E. F. lebt heute mit ihrem zweiten Mann Rick Foster in Berkeley in Kalifornien.
W.: „Maturatreffen“ (1989)
L.: Misik 1989, Maturatreffen mit Eklat. In: Akzente. November 1989, 34
Clara Kenner