Elisabeth von Wolkenstein; Täuferin
Geb. ?
Gest. ?

Herkunft, Verwandtschaften: Verheiratet mit Anton von Wolkenstein; Kinder: Anna (†1568), verheiratet in erster Ehe mit Michael Neuhaus († um 1530), in zweiter Ehe mit Michael von Teutenhofen (†1586); Hans (†1569), Paul, Sigmund. Religionsbekenntnis: Täuferin, wieder Bekehrung zum römisch-katholischen Glauben.
Laufbahn: Über E.s familiäre Herkunft ist nichts bekannt. Sie war verheiratet mit Anton von Wolkenstein, aus der berühmten Ministerialenfamilie der auch der Minnesänger Oswald von Wolkenstein angehörte (†1445). Anton von Wolkenstein war Pfleger in der Herrschaft Uttenheim. Kaiser Maximilian I. hatte dieses Amt 1500 an den Bischof von Brixen verpfändet. Bischof Christoph I. von Schrofenstein (1509-1521) entließ ihn aus unbekannten Gründen 1520. Möglicherweise war Anton von Wolkenstein schon mit reformatorischen Ideen in Berührung gekommen, sodass er das Vertrauen des Bischofs verloren hatte.
Spätestens 1526 hatte Anton von Wolkenstein den Prediger Wölfl aus dem Sarntal nach Uttenheim eingeladen, wo er etwa eine Woche die ganze Familie mit seinen Lehren und seiner Kritik an der katholischen Kirche bekannt machte. Wölfl war kein entschiedener Vertreter des Täufertums, vielmehr war er in einem hohen Maße lutherisch beeinflusst. Auf der Basis der Aussagen, die Wölfl im Gefängnis machte, wurde Anton von Wolkenstein 1527 verhaftet. Anton von Wolkenstein bekannte sich im Verhör vom 26. Juli 1527 zum lutherischen Glauben, widerrief aber dann vor der Regierung in Innsbruck und schwor, weder lutherische noch andere sektiererische Prediger in seinem Haus aufzunehmen noch ihnen zu erlauben zu predigen. Darüber hinaus versprach er, alle lutherischen und sektiererischen Bücher auszuhändigen, sich keine solchen mehr zu beschaffen und fortan nur mehr die Heilige Schrift zu lesen.
Zu den von Wölfl Bekehrten gehörte auch Jakob Hutter (†1536), der zu den bedeutendsten (Tiroler) Persönlichkeiten der TäuferInnenbewegung avancierte, dessen Ideen noch heute bei den Huterischen Brüdern fortleben. Nach der Hinrichtung von Michael Kürschner (†1529) und Georg Blaurock (†1529) trat er an die Spitze der Täuferbewegung in Tirol. Als er im Taufertal predigte, gehörte E. zu seinen ersten AnhängerInnen. Als Jakob Hutter im September 1531 bis März 1532 sich wieder in der Gegend von Taufers aufhielt, nahm E. nicht nur an Versammlungen der TäuferInnen auf Schloss Neuhaus, in den umliegenden Wäldern oder in Gais teil, sondern bot auch Uttenheim als Versammlungsort an. Unbekannt ist, wann sie sich taufen ließ, und wer sie taufte. Sie selbst praktizierte den katholischen Glauben nicht mehr und hatte darüber hinaus ihrer Köchin verboten, am katholischen Gottesdienst teilzunehmen. Stattdessen wurde diese von E. mit dem täuferischen Glaubensgut vertraut gemacht.
Auch bei Jakob Hutters Missionsreise durch Tirol zwischen Herbst 1532 und Sommer 1533, bevor er zu ein viertes Mal nach Mähren aufbrach, war Uttenheim erneut ein Treffpunkt für Gleichgesinnte. An den religiösen Zusammenkünften nahmen auch E.s jüngere Söhne Paul und Sigmund teil. Ob auch Anton von Wolkenstein daran partizipierte, ist unklar. In einem Verhör von 1534 versicherte er, Jakob Hutter nicht zu kennen. In E.s Haus waren auch andere führende Täufer willkommen wie Hans Amon Tu(e)chmacher (Amon) aus Bayern (†1542), der Schatzmeister („Säckelmeister”) Hans Mair Paulle und seine Frau sowie AnhängerInnen Hans Hutters. E.s Köchin war von derartigen Treffen ausgeschlossen.
E. übte auch tätige Nächstenliebe gegenüber ihren oftmals verfolgten Glaubensgeschwistern. Als die Frau von Hans Mair Paulle sich in den letzten Stadien ihrer Schwangerschaft befand, nahm E. sie auf, so dass sie umsorgt von anderen Glaubensschwestern an einem sicheren Ort ihr Kind zur Welt bringen konnte.
Sieben Jahre konnte E. unbehelligt ihren Glauben ausüben, und sie trug so wesentlich zur Verbreitung des Täufertums in der Region von Taufers bei. Als dann im Zuge eines schärferen Vorgehens gegen die Bewegung am 20. Dezember 1533 erstmals der Verwalter von Schloss Neuhaus verhaftet wurde, kamen auch E. und Anton von Wolkenstein immer stärker in das Blickfeld der Behörden. Die Indizien einer Vernachlässigung des katholischen Glaubens der Familie und insbesondere E.s Engagements in der TäuferInnenbewegung erhärteten sich immer mehr. Am 28. Jänner 1534 wurde die Verhaftung angeordnet und sorgfältig unter Führung des Innsbrucker Untermarschalls Erasmus Offenhauser vorbereitet und durchgeführt. Die Familie wurde gleichsam auf Uttenheim überrascht.
E. und ihre Köchin wurden nach Taufers, Anton und Paul von Wolkenstein wurden nach Innsbruck verbracht, wo sie im sogenannten „Kreuterturm” inhaftiert wurden. Anton erklärte, dass er weiterhin dem Luthertum anhänge und ihm nie wirklich gänzlich abgeschworen habe. Der 19 oder 20 Jahre alte Paul hatte zwar noch nicht die Wiedertaufe empfangen, bekannte sich aber als Anhänger des Täufertums. Er widerrief schließlich und schwor der Bewegung ab. Sein 17jähriger Bruder war der Verhaftung entgangen, nahm aber weiterhin an den religiösen Versammlungen der TäuferInnen teil. Er war auch getauft worden. Im Mai wurde auch er verhaftet und blieb bis März 1536 in Brixen im Gefängnis. Er widerrief vor den Richtern, weigerte sich aber öffentlich abzuschwören. Dann wurde er enthaftet, da er beabsichtigte, in die kaiserliche Armee und in den Kriegsdienst einzutreten.
E. wurde Anfang Februar in Taufers ein Fragenkatalog in Bezug auf ihren Glauben präsentiert. Aufgrund ihrer adeligen Abkunft wurde von einer Anwendung der Folter Abstand genommen.
Ihre Antworten wurden am 8. Februar nach Innsbruck übermittelt, sie konnten jedoch bisher nicht in den Archiven aufgefunden werden. Die Regierung in Innsbruck teilte aber eine Woche später dem Pfleger von Taufers mit, dass der Untersuchungsrichter E. nicht nur gravierende Glaubensirrtümer bescheinigt habe sondern, dass sie daran auch weiterhin festhalten wolle. Da sowohl Anton als auch E. aufgrund ihrer Aussagen als Häretiker zu qualifizieren waren, wurden ihre Besitzungen beschlagnahmt und konfisziert. Schließlich entschied die Regierung in Innsbruck, dem ältesten Sohn des Paares, Hans, der katholisch geblieben war, die Güter zu überantworten. Die Regierung in Innsbruck trug auch dafür Sorge, dass E. wieder auf den rechten Weg des Glaubens gebracht wurde. E. räumte zwar in vielen einzelnen Punkten Irrtümer ein, im Hinblick auf Buße, Abendmahl und Kindertaufe, war sie zu keinen Zugeständnissen bereit. Sie ersuchte vielmehr um ein Jahr Bedenkzeit, um Gott für die Gnade der rechten Erkenntnis zu bitten.
Auch ihr Sohn Hans und ihr Schwiegersohn trachteten in Einverständnis mit den Behörden, E. von ihren Irrtümern abzubringen. E. schien aber immer noch nicht bereit, vollständig zu widerrufen.
Am 15. April 1535 ordnete König Ferdinand I. (†1564) in Antwort auf den Bericht der Innsbrucker Regierung ein drittes Verhör, in dem auch die Anwendung der Folter inkludiert war, an, um alles über E.s Aktivitäten und die Ziele und Intentionen der TäuferInnen im allgemeinen zu erfahren. Auch Sohn und Schwiegersohn sollten nochmals mit ihr sprechen, falls notwendig, um zum gewünschten Resultat zu kommen.
Nun wurde Untermarschall Erasmus Offenhauser hinzugezogen. Aber alle Versuche blieben vergeblich, E. zu einer Einsicht zu bewegen. Die Strategie wurde geändert, indem versucht wurde, die Renitente mittels eines versierten Theologen ihren Irrtum einzubekennen. Möglicherweise wurde auch Folter eingesetzt. Die für den 8. Mai 1535 angesetzte vierte Verhandlung brachte E.s Bekenntnis zum wahren christlichen Glauben. Sie legte auch den gewünschten Eid (Urfehde) ab. Ganz kampflos wollte sie sich nicht ergeben. Ihrem Ersuchen, ihr die öffentliche Abschwörung in der Kirche zu erlassen, indem sie vorgab, nicht lesen zu können, wurde dadurch begegnet, dass sie unterrichtet wurde, sie brauche nur die Worte des Priesters wiederholen. Schließlich wurde am 9. Oktober 1534 ihr Widerruf in der Pfarrkirche von Taufers verzeichnet.
E.s lang anhaltender Widerstand zeigt, wie schwer es ihr gefallen sein muss, sich von der religiösen Bewegung zu distanzieren, der sie jahrelang auf engste verbunden war. Der geleistete Widerruf musste einen großen Bruch in ihrem Leben darstellen, jedoch den von ihren Lehrern Wölfl und Jakob Hutter vorgezeichneten Weg des Martyriums wollte sie nicht gehen.
E. verließ nach ihrer offenkundigen Absage an das Täufertum Uttenheim, um in Einverständnis mit der Innsbrucker Regierung in Brixen bei Tochter und Schwiegersohn und ihrem Mann zu leben.

L.: Packull 2000, Schmelzer 1996, Schmelzer 1989

Ingrid Roitner