Einem Gerta-Luise von, geb. Rieß von Scheuernschloß; Spionin
Geb. Kassel, Deutschland, 20.1.1889
Gest. Ludwigsburg, Deutschland, 3.3.1964
Herkunft, Verwandtschaften: Stammte aus einer kurhessischen Beamten- und Offiziersfamilie, Tochter des preußischen Generalleutnants Hermann Rieß von Scheuernschloß (1854–1917) und seiner Frau Hedwig Martini (1859–1938).
LebenspartnerInnen, Kinder: Heiratete 1911 den österreichischen Adligen William von Einem (1871–1944), der zuletzt k. u. k. Generalmajor und ab 1914 in der Schweiz als Militärattaché der österreichischen Botschaft stationiert war. Er gehörte zu einem Zweig der hannoverschen Offiziersfamilie von Einem, der nach 1866 in Österreich diente. Drei Söhne: Ernst August (1912–1971), Gottfried (1918–2000) und Karl-Hermann (1919–1942). Gottfried von Einem machte sich als Komponist in der Welt der Musik einen Namen. Er erfuhr erst im Alter von etwa 20 Jahren den Namen seines richtigen Vaters, des Grafen Lászlo Hunyady (†1927).
Freundschaften: U. a. Winifred Wagner, Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Winston Churchill. Zu Gerta-Luises Bekanntenkreis gehörten auch Nazigrößen.
Laufbahn: Bis zu Beginn des Dritten Reiches führte G.-L. v. E. ein mondänes Leben. Ihre drei Kinder wuchsen unter Obhut von Großmutter, Dienerschaft und Hauslehrern auf. Ihre Salons in Paris und in Berlin waren beliebte Treffpunkte der großen Gesellschaft. Als Gattin des Militärattaches reiste sie viel, weswegen ihr Name in zahlreichen Gästebüchern internationaler Hotels zu lesen war. 1926 stand sie im Mittelpunkt einer mysteriösen Bestechungsaffäre in der Tschechoslowakei. Sie hatte angeblich 1935 mit dem deutschen Kriegsministerium Kontakt und soll von dem damaligen Leiter des deutschen Abwehrdienstes, Wilhelm Canaris (1887–1945), als Agentin gewonnen worden sein. Canaris wurde später ein Gegner von Hitler, man setzte ihn 1944 ab und richtete ihn am 9. April 1945 nach einem Standgerichtsverfahren hin.
Der erste Auftrag, den G.-L. v. E. angeblich ausführte, soll die Aushebung eines antinationalsozialistischen Senders in Nähe der tschechischen Hauptstadt Prag gewesen sein. In Paris kooperierte sie mit dem Hauptagenten des Reichsaußenminsters Joachim von Ribbentrop (1893–1946) und dem Diplomaten Otto Abetz (1903–1958). Skandal im Juli 1939: ihre Spionagetätigkeit wird bekannt, sie kann jedoch rechtzeitig flüchten. Zum Jahresbeginn 1940 wurde sie in Abwesenheit durch ein französisches Militärgericht wegen Spionage und Bestechung zum Tode verurteilt. Gegen den mitangeklagten Amourel verhängte man ebenfalls ein Todesurteil; er wurde hingerichtet. 1940 kehrte G.-L. v. E. nach Paris zurück und führte dort weiterhin ein luxuriöses Leben. Zu dieser Zeit scheint sie das Wohlwollen des deutschen Abwehrchefs verloren zu haben, sie wurde in Brüssel verhaftet und von einem deutschen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Auch dieses Urteil konnte nicht vollstreckt werden, weil die Baronin spurlos verschwand. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde G.-L. v. E. in ihrem Versteck in Bayern aufgespürt und 1948 an Frankreich ausgeliefert. Beim Prozess in Paris wurde die Angeklagte überraschend schon nach zehnminütiger Beratung freigesprochen. Französische und schweizerische Zeitungen berichteten, dass in den Fall viele Kollaborateure, hauptsächlich renommierte Pariser Publizisten, verwickelt seien, die sich noch im Amt befänden. 1948 und 1952 führte G.-L. v. E. erfolglos Prozesse gegen den Inhaber des Stuttgarter Auslandsartikeldienstes, Wolf Uecker, und gegen die „Schweizer Illustrierte“. Beide hatten über ihren letzten Prozess in Paris berichtet und sie mit der niederländischen Spionin Mata Hari (1876–1917) verglichen. Sie besaß in Österreich verschiedene Exportunternehmen. Am 3. März 1964 starb sie im Alter von 75 Jahren in Ludwigsburg (Baden-Württemberg).
Qu.: Staatsarchiv Berlin. Briefe an Sohn Gottfried von Einem.
L.: Zita 2005