Ebner von Eschenbach Marie Freifrau von
Geb. Schloß Zdislawitz bei Kremsier, Mähren (Kroměříž, Tschechien), 13.9.1830
Gest. Wien, 12.3.1916
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Franz Freiherr von Dubsky, entstammte einem altösterreichischem katholischen Adelsgeschlecht, war viermal verheiratet; Mutter: Marie Freiin von Vockel, entstammte einem protestantisch-norddeutschen Geschlecht, starb zwei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Marie; Schwester: Friederike. Mehrere Halbgeschwister; 1. Stiefmutter: Eugénie Bartenstein; 2. Stiefmutter: Xaverine Kolowrat-Krakowsky.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1848 Heirat mit ihrem 15 Jahre älteren Cousin Moritz Freiherr Ebner von Eschenbach (1815-1898), Professor an der Ingenieur-Akademie in Wien Physik und Chemie, später Feldmarschallleutnant und Mitglied der Militärakademie; die Ehe blieb kinderlos.
Ausbildungen: M. v. E.-E. wurde im Alter von elf Jahren mit der Aufgabe betraut, die großmütterliche Bibliothek zu ordnen. Dabei eignete sie sich autodidaktisch umfassendes Wissen an. Sie erlernte neben ihrer französischen Muttersprache auch Deutsch und Tschechisch. Absolvierte 1879 eine UhrmacherInnen-Ausbildung in Wien.
Laufbahn: Sie wuchs sommers auf Schloß Zdislawitz und winters in Wien auf. Nach dem Verlust ihrer geliebten ersten Stiefmutter Eugénie als siebenjähriges Kind, konnte sie zu ihrer neuen Stiefmutter Xaverine ein enges Verhältnis aufbauen. Diese war eine hochgebildete Frau, erkannte und förderte früh das Talent ihrer Stieftochter, bemühte sich um diverse literarische Anregungen und nahm sie regelmäßig ins Wiener Burgtheater mit. Unter dem Eindruck dieser Burgtheaterbesuche begann M. v. E.-E. bald mit ihrer ehrgeizigen dichterischen Produktion. Nach ihrer Heirat folgte sie ihrem gebildeten und sie unterstützenden Mann 1850 nach Klosterbruck bei Znaim und 1863 zurück nach Wien, das neben Zdislawitz ihr ständiger Aufenthalt wurde. Inspiriert von Friedrich von Schiller, versuchte sie sich zunächst als Dramatikerin. Ihr anonym erschienenes Erstlingswerk, die Briefsatire „Aus Franzensbad“, würde sie im Nachinein ablehnen – vermutlich nicht zuletzt wegen der klischeehaften Darstellungen von JüdInnen, mit denen sie sich später solidarisieren sollte. Sie blieb erfolglos und verarbeitete ihre Enttäuschungen und die davon begleitete Vereinsamung ab 1867 in Tagebuchaufzeichnungen. Erst als sie nach fast zwanzig Jahren schließlich zu Erzählungen wechselte, wurde sie 1876 durch den Abdruck ihres ersten Kurzromans „Božena“ in der führenden Monatsschrift „Deutsche Rundschau“ bekannt. Ihren endgültigen Durchbruch erzielte sie 1880 mit ihrem Roman „Lotti, die Uhrmacherin“, der in der „Deutschen Rundschau“ vorabgedruckt erschien. Von nun an war sie auch Verlagen willkommen. Ihre im selben Jahr erschienenen „Aphorismen“ und die späteren veröffentlichten „Dorf- und Schlossgeschichten“ sowie das „Gemeindekind“ zählen zu ihren erfolgreichsten Texten. Sie unternahm nach dem Tod ihres Gatten bis ins Jahr 1905 mehrere Italien-Reisen. Mit ihren dialogischen Novellen ab 1890 fand sie ihren dramatischen Stil. Mit „Ohne Liebe“ (1888) und „Am Ende“ (1895) wurde M. v. E.-E. nun endlich als Dramatikerin wahrgenommen und erzielte an der Berliner „Freien Bühne“ rauschende Erfolge. Sie unterhielt zahlreiche KünstlerInnenfreundschaften und literarische Beziehungen, u. a. zu Franz Grillparzer, Heinrich Laube, Ferdinand von Saar, Betty Paoli, Luise von François und Enrica von Handel-Mazzetti. Sie wurde nach ihrem Tod beim väterlichen Schloß Zdislawitz beigesetzt. M. v. E.-E. zählt heute zu den bedeutendsten SchrifstellerInnen Österreichs. Ihr Werk zeichnet ein lebendiges Bild der österreichischen Gesellschaft vor Zusammenbruch der Monarchie, wobei die psychologischen Erzählungen den Schwerpunkt bilden. Als Aphoristikerin bedient sich M. v. E.-E. der Methode der Steigerung und Überspitzung. Als führende Vertreterin des österreichischen Spätrealismus zeigt sie eine sozialkritische Tendenz, thematisiert die Lebensbedingungen der Unterschicht und zeigt ein von Aufklärung und Humanismus inspiriertes, waches politisches Bewußtsein.
Ausz., Mitglsch.: Erhielt 1898 als erste Frau das Ehrenkreuz für Kunst und Literatur und 1900 als erste Frau den Ehrendoktortitel der Universität Wien; Straßenbenennung: Ebner-Eschenbach-Park in Wien-Währing 2010; die österreichische Post veröffentlichte anlässlich ihres 50. (1966) und 75. (1991) Todestages jeweils eine Sonderbriefmarke, die deutsche Post anlässlich ihres 150. Geburtstages, 1980. Mitbegründerin des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“.
Werke
„Aus Franzensbad“ (1858), „Maria Stuart in Schottland“ (1860), „Marie Roland“ (1867), „Die Prinzessin von Banalien“ (1872), „Männertreue“ (1874), „Aphorismes“ (1880), „Dorf- und Schloßgeschichten“ (1884), „Die Unverstandene auf dem Dorfe“ (1888), „Ohne Liebe“ (1888), „Am Ende“ (1895), „Krambambuli“ (1905), „Meine Kinderjahre“ (1906), „Meine Erinnerungen an Grillparzer“ (1916), „Tiergeschichten“ (1922)
Literatur / Quellen
Wienbibliothek im Rathaus.
Alkemade 1935, Auernheimer 1926, Bettelheim 1925, Egger 1948, Felbinger 1947, Fischer 1939, Gögler 1931, Gorla 1999, Hans 1934, Koopmann 1999, Lohmeyer 2002, Motzko 1948, Mumbauer 1918, ÖBL, Offergeld 1917, Radke 1919, Rieder 1934, Rosegger 1901, Schadauer 1949, Schmidt 1912, Slama 1944, Strelka 1997, Toegel 1997, Wallach 1950, Wedel 2010, www.aeiou.at