Ebner Rosa Maria (Rosl)

geb. Kraus; Ärztin und politische Aktivistin
Geb. Wien, 24.2.1915
Gest. Wien, 2.2.1994

Herkunft, Verwandtschaften: Rosl E. (sie wollte nicht Rosa genannt werden) stammte aus einer bürgerlichen Familie, war in Wien heimatberechtigt und hatte die österreichische Staatsbürgerschaft. Ihr Vater Julius Kraus (*1869 Gewitsch/Jevíčko, Mähren, †1934 Wien) war jüdischer Herkunft aber „ohne Bekenntnis“ und arbeitete in Wien bei der Länderbank, wo er zum Direktor der Personalabteilung aufstieg. Ihre Mutter Mizzi, geborene Fuchs (*1877 Beneschau/Benešov, Böhmen, †1915 Wien, nach R. E.s Geburt) stammte aus einer angesehenen jüdischen Ärztefamilie. R. E. hatte zwei Brüder (Albert, Franz) und eine Schwester (Barbara). 
Ihre Cousins waren Albert Fuchs (1905-1946), Jurist, Kulturhistoriker und Funktionär der Kommunistischen Partei Österreich, der nach London ins Exil ging, wo er engen Kontakt mit R. E. pflegte; Georg Fuchs (1908-1986), Mediziner und Spezialist für Röntgen- und Radiumtherapie, der Nationalsozialismus und Holocaust durch Flucht nach Palästina über Belgien und die Türkei überlebte, später als britischer Soldat nach Wien zurückkehrte und seinen Beruf wieder ausüben konnte; Felix Fuchs (1899-1980), Mediziner und Spezialist für Urologie, der in die USA emigrierte und seine wissenschaftliche Arbeit dort wieder aufnehmen konnte.
LebenspartnerInnen, Kinder: Ihr Freund Hugo Ebner beendete sein Jus-Studium kurz vor dem sogenannten ‚Anschluss‘ und wurde beim gemeinsamen Fluchtversuch (mit Jura Soyfer) über die Berge in die Schweiz am 13. März 1938 festgenommen und ins KZ Dachau und später ins KZ Buchenwald überstellt. Durch die Bemühungen von Familie sowie von Freundinnen und Freunden gelang es, die notwendigen Visa und Genehmigungen für die Entlassung und Ausreise zu beschaffen. Jura Soyfer erkrankte an Typhus und starb im Lager Buchenwald, Hugo Ebner konnte 1939 nach England ausreisen. Wie die meisten Männer in vergleichbarer Situation, wurde er als ‚feindlicher Ausländer‘ interniert, zuerst in England, dann in Kanada, bis die Behörden 1942 den Aufenthalt in England gestatteten. Er arbeitete als Dreher in der Rüstungsindustrie in Manchester, wo er bis Ende 1945 mit R. E. lebte. 1946 konnte er mit der Familie nach Wien zurückkehren und die Arbeit als Konzipient und später als Anwalt aufnehmen. Sein Hauptinteresse galt der Tätigkeit für die Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes im Bereich der ‚Wiedergutmachung‘, etwa der einzufordernden Pensionsansprüche. Das Ehepaar Ebner hatte zwei Söhne: Peter Ebner wurde 1943 in Manchester (Großbritannien) und Friedl Ebner 1953 in Wien (Österreich) geboren.
Freundschaften: Bedingt durch die vielen Stationen auf dem Lebensweg von R. E. bildeten sich unterschiedliche und zum Teil überlappende, sehr große Freundeskreise. Hier trafen sich Personen der kommunistischen und sozialistischen (jüdischen) Emigration sowie der beruflichen Tätigkeit im Spital, der politischen und sozialen Arbeit in Österreich und Lateinamerika sowie engagierte UnterstützerInnen einzelner Initiativen, die viele dieser Freundeskreise miteinander verbanden, wie z. B. im Fall der „Frauensolidarität“.
Ausbildungen: Nach offen antisemitischen Anfeindungen wechselte R. E. vom Mädchengymnasium in der Rahlgasse ins Gymnasium in der Wasagasse, wo sie auch maturierte. In ihrem siebten Semester an der Universität Wien wurde sie nach dem „Anschluss“ von der Hochschule aus „rassischen“ Gründen vertrieben und musste ihr Medizinstudium abbrechen. In Großbritannien wurde sie zur Röntgenassistentin ausgebildet und in Glasgow beschäftigt. Nach ihrer Rückkehr 1946 konnte sie ihr Medizinstudium in Wien wieder aufnehmen und 1952 erfolgreich abschließen.
Laufbahn: R. E. entwickelte sich u. a. durch den Einfluss ihrer Brüder im ‚Roten Wien‘ zur Sozialistin und später durch Albert Fuchs zur Kommunistin. 1938 wurde sie nach den „Nürnberger Gesetzen“ als Jüdin fremddefiniert. Über Vermittlung ihrer seit 1935 in Paris lebenden Brüder, schloss sie 1938 eine Namensehe mit einem französischen Hutmacher polnischer Herkunft, wodurch ihr die Ausreise mit französischem Pass ermöglicht wurde. Im Frühjahr 1939 ging sie von Paris nach London, wo sie u. a. als Hausgehilfin arbeitete und sich im Free Austrian Movement und im Austrian Self Aid politisch einbrachte. Hier hielt sie Vorträge und übernahm organisatorische Aufgaben. Sie gehörte zu jenen Österreicherinnen und Österreichern, die im Exil gegen das NS-Regime und für ein freies Österreich kämpften. 1940 zog sie nach Glasgow und später nach Manchester, um hier Aufbauarbeit für das Austrian Centre zu leisten. Wieder in Wien, konnte 1948 die erste Ehe geschieden und die zweite mit Hugo Ebner geschlossen werden. Nach Studium und Turnus eröffnete sie 1957 im zweiten Bezirk eine Ordination als Allgemeinmedizinerin und praktizierte bis 1984. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit war sie stets auch sozial engagiert. Sie hielt Sexual-Aufklärungs-Seminare in diversen Organisationen, wie dem Arbeiter-Samariter-Bund oder den Naturfreunden und arbeitete in vielen Bereichen der Jugend- und Behinderten-Sozialarbeit. Ab den frühen 1970er Jahren reiste sie nach Ecuador, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua und Peru, um die dortige Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. R. E. begann in den frühen 1980er Jahren ihre Erinnerungen festzuhalten und für nachfolgende Generationen zu dokumentieren. 
Ausz., Mitglsch.: Austrian Centre in London und Manchester, Austrian Self Aid, Free Austrian Movement, Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs.

Werke

„Glasgow – licht und positiv. Manchester – brav und einförmig. „Emigrantenarbeit“ in der britischen Provinz, kommentiert von Bernhard Kuschey. In: Siglinde Bolbecher (Hg.): Literatur und Kultur des Exils in Großbritannien“ (1995)

Literatur / Quellen

Der Nachlass von R. E. ist im Besitz der Familie Ebner. Portraitfoto im Privatbesitz von Peter Ebner. Rosl Ebner, unveröffentlichte Autobiographie. Briefe an Maria, Wien 1981-1986, Quelle ist im Besitz der Familie Ebner sowie der Verfasserin dieses Beitrags. (Die unveröffentlichte Autobiographie verfasste R. E. in den Jahren 1981-1986, für die junge Generation, die sich in der Friedens- und Solidaritätsbewegung engagierte. Es handelt sich dabei nicht um in sich geschlossene Briefe, sondern um einen fortlaufenden Text, welcher in größeren Zeitabständen weitergeführt wurde. Ein großer Teil ihrer Erinnerungsarbeit besteht aus Reflexionen aus der Zeit der Niederschrift.)

Brandstetter 2007, Dokumentationsarchiv 1985, Dokumentationsarchiv 1992a, Erker 2001/02, Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938: http://gedenkbuch.univie.ac.at, Eintrag zu Rosl Ebner

BiografieautorIn:

Linda Erker