Czernetz Margit
Geb. Wien, 25.9.1910
Gest. Wien, 2.1.1996
M. C. wird als Tochter der aus Ungarn nach Wien eingewanderten Familie Kohn am 25. September 1910 in Wien-Leopoldstadt geboren. Die Familie besteht aus insgesamt elf Personen, die in einer Zimmer-Küche-Kabinett Wohnung leben. Die neun Kinder müssen bereits in jungen Jahren zum Familieneinkommen beitragen. M. K. erlernt den Beruf einer Näherin und tritt 1926 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Wien-Leopoldstadt bei. Sie engagiert sich besonders als Bildungsreferentin in der Sozialistischen Arbeiterjugend. Die Bücher von Upton Sinclair, die sie im Alter von 15 Jahren liest, tragen dazu bei, sie politisch zu sensibilisieren. Sie versucht, über die Bezirksparteiorganisation der Sozialistischen Partei Leopoldstadt eine Ausleiherlaubnis für die Arbeiterbüchereien zu erhalten. Ihr Ansuchen wird auf Grund ihres Alters abgelehnt. Es wird ihr aber vorgeschlagen, der Sozialistischen Jugendbewegung beizutreten, um die Arbeiterbücherei benützen zu können. Sie besucht daraufhin mit ihrer älteren Schwester Vorträge der SAJ.
Ab 1932 arbeitet sie als Heimleiterin für „Jugend in Not“. Dieser wohltätigen Organisation wird in der Schule Zirkusgasse (Wien, 2. Bezirk) der größte Saal zur Verfügung gestellt, um 60 bis 100 Frauen im Alter bis 24 Jahre aufnehmen zu können. Die Betreuung bestand in erster Linie aus einem geheizten Aufenthaltsraum, da das Heizmaterial für viele der Frauen unerschwinglich war. Einige der Frauen, wie M. K. zu ihrem Entsetzen feststellen muss, prostituieren sich aus Hunger. Es gelingt ihr, Essen für die Mädchen zu organisieren. Nach einer Ausbildung als Kinderkrankenpflegerin im Mautner-Markhof-Kinderspital findet M. K. eine Anstellung im Rothschild-Spital, einer Stiftung der Rothschilds, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten von diesen übernommen wird. Sowohl für die Kranken als auch für das Pflegepersonal herrschen unzulängliche Bedingungen. Die Dienstzeiten für das Pflegepersonal betrugen 24 Stunden und die Krankenzimmer beherbergten bis zu vierzig PatientInnen gleichzeitig.
Ab 1934 engagiert sich M. C. zunächst in der Gruppe „Funke“, einer sozialdemokratischen Splittergruppe, die sich nach der Niederlage der Sozialdemokratischen Partei gebildet hat, später ist sie für die Revolutionären Sozialisten im Untergrund tätig. Sie ist eine Kontaktperson zum Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS) in Brünn. Nachdem ihr späterer Mann, Karl Czernetz, 1934 verhaftet wird, kann sie noch rechtzeitig belastendes Material wegschaffen.
Im Oktober 1938 flüchtet M. C. nach Großbritannien, weil sie als aktive Mitarbeiterin der Revolutionären Sozialisten polizeibekannt ist und dadurch besonders gefährdet, von der Gestapo verhaftet zu werden. Sie heiratet 1939 Karl Czernetz und lebt mit ihm in London. Karl Czernetz (12.2.1910 – 3.8.1978) ist Fotograf und zunächst in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) Leopoldstadt tätig. Er arbeitet wie seine spätere Frau ebenfalls im Widerstand gegen den austrofaschistischen „Ständestaat“ und flüchtet 1938 vor den Nationalsozialisten über Paris nach London. 1940 wird Karl Czernetz unter dem Verdacht der Spionage in Großbritannien verhaftet und auf der Isle of Man interniert. Auch M. C. muss drei Monate Haft dort verbringen.
M. C. arbeitet in dem 1941 gegründeten Büro der österreichischen Sozialisten, das für die politische Arbeit und als politische Vertretung der österreichischen Sozialisten in England zuständig ist (Austrian Labour Club) und von ihrem Mann sowie Oskar Pollak geleitet wird. Im November 1945 kann das Ehepaar Czernetz zusammen mit 17 weiteren sozialdemokratischen EmigrantInnen nach Österreich zurückkehren. Karl Czernetz ist in der Zweiten Republik ein führender SP-Funktionär und gilt als Parteiideologe. 1978 wird ein Gemeindebau in Wien 15, Clementinengasse 11-17 nach ihm benannt, seit 1983 gibt es den Czernetzplatz im 22. Wiener Gemeindebezirk. Auch M. C. setzte ihre politische Arbeit für die SPÖ nach ihrer Remigration fort und war unter anderem von 1968 bis 1972 im Frauenzentralkomitee tätig. Am 2. Jänner 1996 stirbt sie in Wien.
Werke
Literatur / Quellen
Dokumentationsarchiv 1985, Dokumentationsarchiv 1992a, Dokumentationsarchiv 1998 (Ergänzungsbd. 2001), Weblexikon der Sozialdemokratie: www.dasrotewien.at