Brück Eva, geb. Morgenstern; Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin
Geb. Berlin, Deutsches Reich (Deutschland), 13.6.1926
Gest. Berlin, Deutschland, 5.11.1998

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Milan Morgenstern (1895-1954), Heilpädagoge und Psychologe,
Freudschüler, war nach 1910 bei der Buchhandlung Heller in Wien beschäftigt und bekannt mit Franz Werfel, Stefan Zweig und Rainer Maria Rilke, erhielt über Walter Gropius ein Stipendium ans Bauhaus in Weimar und war in Berlin Leiter einer Beratungsstelle für jugendliche RechtsbrecherInnen der Internationalen Arbeiterhilfe; Mutter: Sophie Alice Hirschberg (1896-1981), Erzieherin für behinderte Kinder; Bruder: Franz Stephan (*1929), in London Psychiater für spastisch gelähmte und geistig behinderte Kinder; Großmutter und Tante väterlicherseits wurden im November 1942 nach Theresienstadt deportiert und ermordet.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1947 Heirat mit Josef Brück (*1924), Grafiker und Maler, 1970 Trennung; Sohn: Alexander (*1951), Fotograf für Dokumentarfilme, Hilfskantor.

Ausbildungen: Ab 1933 Volksschule in Wien-Brigittenau; ab 1936 Schwarzwald-Schule; Internatschule der Quäkerinnen in GB; High School in Oxford; 1944-1947 Studium der „Modern Languages“ (Deutsch und Französisch) an der St. Anne‘s University in Oxford (mit Stipendium), Abschluss mit B. A.; besuchte zudem Vorlesungen über russische Literatur.

Laufbahn: Aufgrund rassistischer und politischer Verfolgung durch das NS-Regime floh die Familie Morgenstern 1933 aus Berlin nach Wien. Nach dem Einmarsch Hitlers gab es auch hier eine Hausdurchsuchung, und die Familie musste im April 1938 über die Schweiz nach Paris und von Calais aus nach Großbritannien fliehen. Das Permit dazu hatte der englische Spielwarenerzeuger Paul Abatt erwirkt, mit dem E. B.s Vater aufgrund seiner heilpädagogischen Kenntnisse 1937 eingeladen gewesen war. In London arbeitete E. B.s Mutter für das „Jewish Council“ und verdiente den Lebensunterhalt mit dem Nähen von Gasmasken aus buntem Wachstuch. E. B. besuchte gemeinsam mit ihren Eltern das Austrian Centre in London und das „Laterndl“. Dann übersiedelte die Familie nach Oxford. E. B. wurde Mitglied der Austrian Youth und nahm an den wöchentlichen Kulturveranstaltungen und Vorträgen des Refugee Club in der St. James Church Hall teil. Hierbei lernte sie ihren späteren Ehemann Josef Brück kennen, der 1939 mit einem Kindertransport aus Österreich über die CSR nach GB gelangt war. Nachdem sie im Jahr 1947 ihr Studium abgeschlossen hatte, wurde sie erstmals schriftstellerisch tätig und verfasste Reportagen für den Rundfunk und verschiedene Zeitungen. E. B. unterrichtete Französisch, Deutsch und Geschichte an der Privatschule Crane‘s Court. Durch ihre Eheschließung erhielt sie 1947 die österreichische StaatsbürgerInnenschaft und machte Rückkehrpläne nach Wien. Ihr Ehemann war indes nach seinen Eltern, die aus dem galizischen Brody stammten und 1918 nicht für Österreich optiert hatten, nun in der Sowjetunion beheimatet. Aus politischer Überzeugung ließ er sich auf die sowjetische Repatriierungsliste setzen. Im Jahr 1949, ungeduldig über die schleppende bürokratische Abwicklung des Antrages, beschlossen E. B. und J. Brück ohne Reisepapiere, ausgestattet nur mit einem „Staatenlosen Ausweis“, in die Sowjetunion zu fahren. Über Aachen, Hamburg und West-Berlin gelangten sie nach Ost-Berlin, wo ihnen die Papiere abgenommen wurden. Zunächst wollten sie nach Großbritannien zurückkehren, ließen sich dann aber in Ost-Berlin nieder, „wo ich glaubte, bei der Schaffung eines gerechteren, nazi-freien Deutschland mitwirken zu können“ (E. B. in: Bolbecher/Kaiser 2000). Im Jahr 1958 erhielt sie die deutsche StaatsbürgerInnenschaft. E. B. arbeitete als Journalistin unter anderem für „Das Magazin“ (Chefredakteurin Hilde Eisler), die internationale Gewerkschaftszeitung „Lehrer der Welt“, bei der sie die englische Ausgabe betreute, „Frau von Heute“, „Neues Deutschland“, „Neue Berliner Illustrierte“ und „Deutsche Lehrerzeitung“. Sie nahm als Simultandolmetscherin an vielen Kongressen teil, u. a. am Weltfriedenskongress in Wien 1952 (Dolmetscherin für Ilja Ehrenburg). Als freischaffende Schriftstellerin verfasste sie Reisereportagen, die sie z. T. nur in Form von „Samisdat“-Publikationen verbreiten konnte. Nach der Trennung von ihrem Ehemann unternahm sie ausgedehnte Reisen (wobei sie um die Reisegenehmigungen oft jahrelang kämpfen musste) in die Mongolei, skandinavische Länder, Antarktis, USA, nach Afrika, Indien, Sri Lanka, Japan und Österreich. Sie schrieb Kurzgeschichten über ihre Reiseeindrücke und – bekanntschaften. Der Zyklus „Frauen im Regen“, eine Sammlung von Berichten über couragierte Frauen, basierte auf der Grundlage von Tonbandinterviews mit obdachlosen Frauen, Atomopfern u. a. E. B. war ehrenamtlich im Vorstand der jüdischen Gemeinde tätig und leitete in diesem Rahmen eine „Frauengruppe“, mit der sie monatlich eine kulturelle Veranstaltung organisierte. Eine umfangreiche Arbeit über A. S. Makarenko blieb unveröffentlicht. Die Erzählung „Elisabeth“ und die Kurzgeschichtensammlung „Schillernde Seifenblasen im Wind“ erschien – obwohl von Verlagen angekündigt – nach ihrem Tod nicht mehr.

W. u. a.: „Im Schatten des Hakenkreuzes. Kindheit und Jugend: 1926-1949“ (1993), „Kleine Ostgeschichten. Von vorgestern, gestern und heute“ (1996)
L.: Bolbecher/Kaiser 2000, ÖNB 2002