Brinkmann Ruth; Schauspielerin und Theaterdirektorin
Geb. Berlin, Deutsches Reich (Deutschland), 22.7.1934
Gest. Wien, 18.1.1997

Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Anna K. Brinkmann; Bruder: Klaus Brinkmann; eine Schwester.
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit dem Regisseur Dr. Franz Schafranek (1930-1991); Tochter: Julia Schafranek (*1967).
Ausbildungen: Studierte Schauspiel an der Yale University School of Drama.

Laufbahn: Im Alter von drei Jahren übersiedelte R. B. mit ihrer Familie von Berlin nach Long Island/New York, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Direkt nach Abschluss ihrer Ausbildung gab sie hier ihr Debüt als Louise in George Bernhard Shaws „In Good King Charles’s Golden Days“. Danach war sie im Williamstown Playhouse in Massachusetts, im Cleveland Playhouse in Ohio, im Court Theatre in Beloit in Wisconsin, in der Manhattan Town Hall sowie am Chautauqua Arts Festival zu sehen. Das Time-Magazin zählte sie zu den 15 meistversprechenden US-NachwuchsdarstellerInnen. Im Jahr 1958 unternahm sie gemeinsam mit ihren Eltern eine Europareise, wobei sie das Wiener Theaterleben kennen und schätzen lernte. R. B. beschloss, sich in Wien niederzulassen, fand in Franz Schafranek erst ihren Dolmetscher, dann ihren Ehemann und übersiedelte 1960 nach Wien. Damit R. B., die zu diesem Zeitpunkt noch kein Deutsch sprach, ihre Karriere wieder aufnehmen konnte, gründete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann 1963 das englischsprachige „Vienna‘s English Theatre“ . Das als Sommertheater für englischsprachige TouristInnen konzipierte Theater war europaweit das erste seiner Art, und ihm wurde ein baldiger Untergang prophezeit. Es befand sich im Palais Erzherzog Carl in der Wiener Innenstadt und bot weniger als hundert Plätze. Um die Kosten zu minimieren, saß R. B. selbst an der Kasse, gab die Platzanweiserin und spielte anschließend im jeweiligen Stück die Hauptrolle. R. B. war bekannt dafür, in den Aufführungen gleich mehrere Rollen zu übernehmen und diese in Windeseile zu wechseln; in einer Neuaufführung von „Spoon River“ in den 70ern würde sie gleich 22 Rollen spielen. Ihr Mann führte indes Regie, malte die Kulissen und bediente die Scheinwerfer. Aufgrund des starken BesucherInnenandrangs dehnte das Theater seine Spielzeit auf das ganze Jahr aus, wechselte zwischen 1964 und 1974 mehrmals den Veranstaltungsort und ließ sich schließlich in seinem heutigen Standort in der Wiener Josefstadt nieder. Zur Eröffnung des neuen Hauses in der Josefstadt spielte R. B. die Hauptrolle in Terence Rattigans „In Praise of Love“. Im Jahr 1976 wurde die Weltpremiere von Tennessee Williams‘ „Red Devil Battery Sign“ gegeben, in der R. B. die Rolle der „woman downtown“ übernahm und glänzende Kritiken bekam. R. B. folgte 1979 der Einladung des Wiener Konzerthauses, die William Walton/Edith Sitwell-Kollaboration „Façade“ unter der Direktion von Friedrich Cerha zur Aufführung zu bringen. Bald darauf war sie zwei Saisonen lang Dialogregisseurin der englischsprachigen Version des Musicals „Jesus Christ Superstar“ am Theater an der Wien. Im Jahr 1984 trat sie erstmals als Regisseurin in Erscheinung und inszenierte Graham Greenes „The Complaisant Lover“. Darauf folgte ihre Inszenierung von Arthur Millers „I Can’t Remember Anything“. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes übernahm sie die Leitung des Vienna’s English Theatre. Ihre erste Produktion im Herbst 1991 war die Europapremiere von Paul Rudnicks „I Hate Hamlet“, in dem Horst Buchholz mit seinem Sohn Christopher zu sehen war. Anlässlich des 30. Jahrestages des Theaters kehrte R. B. 1993 auf die Bühne zurück und verkörperte die Autorin Helene Hanff in James Roose-Evans‘ Adaptation von „84 Charing Cross Road“. Das Vienna’s English Theatre erwarb internationale Anerkennung und konnte diverse GastschauspielerInnen für sich gewinnen, u. a.: Joan Fontaine, Anthony Quinn, Linda Gray, Larry Hagman, Gracia Patricia von Monaco, Dame Anna Neagle, Siobhán McKenna, Dame Judi Dench, Dawn Adams, Morag Hood, Jan de Hartogs und Rupert Davies. William Saroyan widmete dem Theater sein Stück „Tales of the Vienna Streets“. Als R. B. nach dreijähriger Krebserkrankung im Alter von 62 Jahren verstarb, übernahm ihre Tochter die Leitung des Theaters, das 2004 mit dem Nestroy-Theaterpreis/Spezialpreis „für 40 Jahre hervorragender Theaterarbeit“ ausgezeichnet wurde.
Ausz.: Zahlreiche Auszeichnungen aus Österreich, England und den USA, u. a.: dreijähriges Stipendium der Ford Foundation; Grosses Silbernes Ehrenzeichen der Stadt Wien 1984; Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien 1989; Member of the Order of the British Empire 1994; Professorinnentitel der Republik Österreich; Straßenbenennung 2006: Ruth-Brinkmann-Gasse in Wien-Floridsdorf.

W. u. a.: Spielte mehrere Rollen zugleich in „The World of Carl Sandburg“ und Edgar Lee Masters‘ „Spoon River Anthology“, spielte alle vier Damen in Thornton Wilders „Queens of France“, gab die Dame in G. B. Shaws „Man of Destiny“, die Doris in „The Owl and the Pussycat“, Miss Prism in Oscars Wildes „The Importance of Being Earnest“, und Amanda in „The Glass Menagerie“, die Sheila in Alan Ayckbourns „Relatively Speaking“ gab sie an der Seite von Lloyd Pack, die Julia in Noel Cowards „Fallen Angels“, Hester in Terence Rattigans „The Deep Blue Sea“. Sie gab ihr deutschsprachiges Debüt als Gräfin Almaviva in Ödön von Horvaths „Figaro lässt sich scheiden“ am Theater in der Josefstadt, performte 1981 auf die Einladung von Otto Molden hin Alan Levys Adaptation der One-Woman-Show „The World of Ruth Draper“ im Tiroler Alpbach, wo sie fortan mehrmals auftreten sollte (als Lillian Hellman in der Europapremiere von William Luces „Lillian“). Das Stück „The World of Ruth Draper“ führte sie 1982 zurück nach New York, wo sie damit am South Street Theater auftrat.
L.: www.aeiou.at, www.englishtheatre.at