Braunsteiner Hermine, auch Braunsteiner-Ryan; KZ-Aufseherin
Geb. Wien, 16.7.1919
Gest. Bochum, 19.4.1999
Herkunft, Verwandtschaften: Der Vater war Metzger.
Ausbildungen: Besuchte von 1925 bis 1933 die Volks- und Hauptschule.
Laufbahn: Wurde unpolitisch und katholisch erzogen. H. B. arbeitete 1934-1938 in einer Brauerei und als Haushaltsgehilfin. Danach bis 1939 in einer Munitionsanstalt tätig. Ende der 1930er Jahre wohnte sie bei einem Polizeibeamten, der sie vom Nationalsozialismus überzeugte. 1938/1939 bewarb sie sich aufgrund besserer Bezahlung und Arbeitsbedingungen erfolgreich im KZ Ravensbrück. Sie trat ihren Dienst am 15. August 1939 dort an und wurde zur Aufseherin ausgebildet. Schneller Aufstieg in der Aufseher-Hierarchie, sie wurde 1941 Leiterin der Kleiderkammer in Ravensbrück. H. B. wurde am 16. Oktober 1942 wurde in das KZ Majdanek versetzt, hier wurde sie nach nur einem halben Jahr Rapportführerin und kurz darauf Stellvertreterin der Oberaufseherin Else Ehrich. Unter den Insassen galt Braunsteiner als die grausamste und brutalste Aufseherin. Sie trat Häftlinge mit ihren Stiefeln, weshalb sie „Kobyla“ (dt. Stute) genannt wurde, und fiel v. a. durch ihre grausame Behandlung von Kindern auf, die sie als „nutzlose Esser“ betrachtete und oft peitschte, wenn sie zu hastig zu ihren Essenskübeln stürtzten. Im Januar 1944 wurde sie in das KZ Ravensbrück zurückversetzt, zunächst als Leiterin des Nebenlagers Genthin und dann auch Oberaufseherin. Nach Auflösung des Lagers Anfang Mai 1945 floh H. B. vor den sowjetischen Truppen zurück nach Wien. Hier wurde sie ein Jahr später verhaftet und den Alliierten ausgeliefert. Nach zwei Jahren in Internierungs- und Kriegsgefangenenlagern wurde sie 1949 vom „Landesgericht für Strafsachen in Wien als Volksgericht“ für ihre Taten in Ravensbrück zu drei Jahren schwerem, verschärftem Kerker verurteilt, jedoch schon im Frühjahr 1950 wieder freigelassen. H. B. wanderte acht Jahre später mit dem US-Soldaten Russel Ryan nach Kanada aus, heiratete ihn und zog daraufhin mit ihm zusammen in die Vereinigten Staaten in den New Yorker Stadtteil Queens. Ihre NS-Vergangenheit hielt sie geheim und so erhielt sie 1963 die us-amerikanische Staatsbürgerschaft. Ein Jahr später wurde sie jedoch von Simon Wiesenthal aufgespürt, worauf sie unter großem medialen Interesse ausgebürgert werden sollte. 1971 verzichtete H. B. rückwirkend auf die US-Staatsbürgerschaft und war somit staatenlos. Sie wurde 1973 verhaftet und von den USA an Deutschland ausgeliefert. Hier kam sie zunächst wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Im Jahr 1975 wurde H. B. im Majdanek-Prozess zusammen mit acht anderen Mitarbeitern des Lagers angeklagt. Die Vorwürfe gegen sie lauteten „gemeinschaftlicher Mord in 1.181 Fällen und Beihilfe zum Mord in 705 Fällen“. Sie wurde aufgrund einer Kaution ihres Ehemanns 1976 aus der Untersuchungshaft entlassen, wurde aber 1977/1978 wieder in U-Haft genommen, da sie versucht hatte, eine Zeugin einzuschüchtern. Sie wurde im Jahr 1981 zu lebenslanger Haft verurteilt; Anklagepunkte: Selektion mit Mord an 80 Menschen, Beihilfe zum Mord an 102 Menschen („Kinderaktion“) und Selektion mit gemeinschaftlichem Mord an 1000 Menschen. Im Jahr 1996 wurde H. B. im Alter von 77 Jahren wegen ihres schlechten Gesundheitszustands durch Johannes Rau, den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, begnadigt. Sie starb am 19. April 1999 in Bochum.
Ausz.: Erhielt 1943 das Kriegsverdienstkreuz II. Kl.
L.: Strebel 2003, wikipedia, http://jungle-world.com, http://www.simon-wiesenthal-archiv.at/