Boll-Dornberger Katharina, geb. Schiff, Käthe; Physikerin
Geb. Wien, 2.11.1909
Gest. Berlin, Deutschland, 27.7.1981

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Walter Schiff (1866-1950), Professor für Statistik und politische Ökonomie, bis 1922 Präsident des Österreichischen Bundesamts für Statistik, zwischen 1923 und 1934 Vorstand des Statistischen Amtes der Stadt Wien, 1934 Kündigung aus politischen Gründen, Mitbegründer und Direktor der Volkshochschule Volksheim (1928-1934); Bruder: Wolfgang, lebte schon vor ihr in Birmingham.
LebenspartnerInnen, Kinder: K. B.-D. heiratete während des Krieges in England den deutschen politischen Emigranten Paul Dornberger. Nach dem Krieg siedelte sich die Familie Dornberger in Weimar an, wo sich K. B.-D. wieder als Physikerin betätigte.
Ausbildungen: Ab 1928 Studium der Physik an der Universität Wien, 5 Semester an der Universität Göttingen, 1934 Promotion an der Wiener Universität in Physik.
Laufbahn: 1934-37 Privatassistentin bei Philipp Gross, dem Leiter der physikalisch-chemischen Abteilung des 1. Chemischen Laboratoriums. Nach dem Weggang Gross‘ nach Istanbul scheiterte das Vorhaben, für K. B.-D. an der Universität Istanbul ein Betätigungsfeld zu schaffen. Im November 1937 reiste sie nach Birmingham, wo sie als postdoc bei dem Physiker M. L. Oliphant tätig war. Im Studienjahr 1938/1939 Forschungsbeihilfe der Society for the Protection of Science and Learning, Sommer 1938 Übersiedlung nach London. Der Physiker J. D. Bernal, Birbeck College, übergab ihr industrielle Auftragsarbeiten. Sie betätigte sich auch als Demonstratorin für Studierende. Im Jänner 1940 wurde sie von Prof. N. F. Mott, Bristol University, mit röntgenologischen Studien beauftragt. Während des Krieges Arbeit in der Mineralogischen Abteilung des Universitätsmuseums in Oxford mit Stipendium der Imperial Chemical Industries; 1943/1944 Lehrerin an einer Mädchen High School, 1945/1946 Birkbeck College (J.D. Bernal), University of London; in der DDR Weiterführung der Kristallstrukturforschung, Organisation der wissenschaftlichen Aufbauarbeit auf diesem Gebiet; 1947 Lehrauftrag an der Hochschule für Baukunst und bildende Kunst, Weimar, 1948-52 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Berlin-Buch, Abteilung Biophysik, 1953-1958 Leiterin der Abteilung für Kristallstrukturanalyse, Institut für Medizin und Biologie, 1958 Umbenennung in Institut für Strukturforschung, Deutsche Akademie der Wissenschaften, Berlin Adlershof; ab 1952 Mitglied der naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, 1953 Dr.habil., 1954 Dozentin, 1956 Professorin mit Lehrauftrag, 1960 Prof. mit vollem Lehrauftrag, 1970 ord. Prof. emer.
Ihr Spezialgebiet umfasste Röntgenstrukturanalyse von Kristallen, wobei sich ihr Interesse auf eine besonderen Klasse von fehlgeordneten Strukturen richtete, sog. OD-Strukturen (order-disorder), die OD-Theorie fand international Verbreitung und Anerkennung.
Ausz.: 1959 Vaterländischer Verdienstorden in Silber, 1960 Nationalpreis für Wissenschaft und Technik II. Klasse.

W. u. a.: „Bestimmung des Kristallsystems und der Gitterkonstante des wasserfreien Zinksulfates“ (1934), „Zur Bestimmung mehrparametriger Kristallstrukturen. Ein graphisches Verfahren auf Grund von Intensitätsschätzungen“ (1934), „Zur Deutung der Röntgendiagramme gewisser Eiweißstoffe“ (1949), „Einige Strukturmodelle für kristallisierte Eiweißstoffe in krit. Beleuchtung“ (1952), „Statistische Kriterien zur Beurteilung v. Strukturmodellen auf Grund v. Röntgenreflexintensitäten“ (1952), „Methoden zur Züchtung einwandfreier Hämoglobinkristalle“ (1954), „Über die Struktur des Currolschen Natriumsalzes“ (1955), „Die Kristallstruktur von Lithiumpolyarsenat (LiAsO-3)“ (1956)
L.: Bischof 2002a, Feichtinger 1999, ÖNB 2002