Blumenfeld Amalie; Philosophin
Geb. Podwoloczyska, Galizien, 6.1.1896
Gest. ?
A. B. wurde am 6. Januar 1896 in Podwoloczyska, einer kleinen Gemeinde in Galizien (nach Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie 1918 zu Polen gehörig) geboren. B. gibt in der Nationale vom SoSe 1921 unter Staatsbürgerschaft „polnische“ an. In der Nationale von 1919 notiert sie an gleicher Stelle: „ukrainische“ (zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie in Galizien vorwiegend polnische und ukrainische Bevölkerung).
In Podwoloczyska besucht A. B. von 1902-1909 die Volks- und Bürgerschule. Anschließend setzt sie ihre Schulbildung auf dem Privaten Mädchengymnasium mit öffentlichem Recht der Josephine? Goldblatt Kammerling in Lemberg fort und schließt ihre gymnasialen Studien dort im Mai 1917 mit der Reifeprüfung ab. Im September 1917 inskribiert sie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. A. B. belegt, laut der entsprechenden Nationale des Sommersemesters 1919, beispielsweise in ihrem 4. Semester philosophische Veranstaltungen bei Robert Reininger über „Kant“, bei Adolf Stöhr über „Logik“, bei Heinrich Gomperz über die „Philosophie der Griechen“, aber auch ein Proseminar über „Goethes Faust“ bei Arnold, eine Veranstaltung zum „Sturm und Drang“ bei Castle und eine zur „Geschichte des Sozialismus“ bei Eibl. Im Sommersemster 1921, also in ihrem 8. Semester, belegt B. „Der Empirismus i. d. neueren Philosophie“ und „Nietzsche als Philosoph“ bei Reininger, „Die griechischen Sophisten“ bei Gomperz, sowie eine Veranstaltung über „Die moderne Dramaturgie“. Aus diesen Studienkombinationen lässt sich m. E. zum einen ein explizit philosophisches und zum anderen ein starkes literarisches Interesse ablesen. Diese Kombination aus Interessen mündet schließlich in einer Dissertation mit dem Titel „Die Frage des Kulturunterganges“, die Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ als einen Hauptausgangspunkt nimmt. Sowohl Robert Reininger als auch Wilhelm Jerusalem als Referenten bewerten A. B.s. Abhandlung „als den Bedingungen für eine Approbation durchaus entsprechend.“ Reininger hebt in seiner Beurteilung der „wohldisponierte[n] Arbeit“ eine „umfassende Belesenheit“ der Verfasserin hervor und spricht von einer „Reife der Urteile“ in der Abhandlung B.s. Allerdings kritisiert Reininger einen „gewissen Einschlag von Subjektivität“ an dem Punkt, an dem B. „von einer Überschneidung unserer Kultur mit dem Russentum ihr Heil erwartet.“ (Die Zitate stammen aus der handschriftlichen Beurteilung Reiningers, die sich im Rigorosenakt von A. B. / PN 5029 befindet.) An dieser Stelle scheint m. E. ein kurzer Ausblick auf die Literaturliste in „Die Frage des Kulturuntergangs“ interessant: B. nennt unter anderem Friedrich Engels, Karl Marx, August Bebel und Leo Tolstoi als Referenz.
Im November 1921 ist das Promotionsverfahren abgeschlossen und A. B. fünfundzwanzigjährig Doktorin der Philosophie. In der Internationalen Biographie der Zeitschriften, in der im Zeitraum von 1921 bis 1941 exemplarisch im Abstand von 2-3 Jahren auch nach Artikeln und Aufsätzen von A. B. gesucht worden ist, konnten bislang keine weiteren Veröffentlichungen als gesichert von ihr verfasste nachgewiesen werden. Auch wurden keine weiteren Monographien von A. B. gefunden.
1921 gibt A. B., genauso wie 1919, die Untere Augartenstraße 8/13 im 2. Bezirk als Wohnadresse von sich und zumindest ihrem Vater an. Als Berufsstand des Vaters Isaak Blumenfeld ist „Kaufmann“ angegeben. Über die Mutter und mögliche Geschwister konnte bisher noch nichts in Erfahrung gebracht werden. Offen bleiben muss bislang auch die Frage, ob die Blumenfelds bis 1917 in Lemberg und, wenn ja, wie sie dort gelebt haben, und ob sie erst 1917 nach Wien gekommen sind. Ist die Familie ein Jahr vor Kriegsende nach Wien geflohen? A. Bs. Ausbildungswerdegang und auch die Wohnadresse in der Unteren Augartenstraße lassen meines m. E. auf einen wohlhabenden Familienhintergrund schließen.
Wie A. B.s. Leben nach ihrer erfolgreichen Dissertation weitergeht, muss an dieser Stelle leider noch völlig offen bleiben. Ist die junge Frau einem Beruf nachgegangen? Wenn ja, welchem? Hat A. B. vielleicht geheiratet? Hatte sie Kinder? Ist sie nach 1938 – oder vielleicht schon vorher – ins Exil geflohen? Hat sie − hat ihre Familie den Holocaust überlebt?
Nach Überprüfung durch das DÖW dürfte es sich bei der A. B., von der hier die Rede ist, nicht um diejenige handeln, die 1942 deportiert und in Treblinka ermordet worden ist. Letztere wurde am 10.4.1866 geboren, die junge Philosophin A. B. hingegen im Jänner 1896.
Qu.: UA Wien, Philos. Rigorosenakt PN 5029, Rigorosenprotokoll 5029, Nationale; Kataloge der Universitätsbibliothek Wien und der österreichischen Nationalbibliothek; Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ).
L.: Dissertationsverzeichnis, Biographische Datenbank WBIS; Datenbank der Holocaustopfer / DÖW, SE Philosophinnen SS 2009, Inst. F. Philosophie, Univ. Wien
Chuluk Brudi