Bleibtreu, Erika

* 2.3.1940, Graz, Stmk.
Vorderasiatische Archäologin

Besuch des Real-Gymnasium Pestalozzi in Graz; WS 1958/59 Aufnahme des Studiums am „Institut für Orientkunde“ an der Karl Franzens-Universität in Graz; Teilnahme an römerzeitlichen Ausgrabungen in Oberösterreich, bei Enns und in Linz, im Gelände der Voest, sowie an prähistorischen Grabungen in der Untersteiermark; Sommer 1961 Grabungs-Reise in die östliche Türkei; 1962 halbtägige „wissenschaftlichen Hilfskraft“ am Institut für Orientkunde der Universität Graz; ab 1963 war sie als ganztägige „wissenschaftliche Hilfskraft“ an der Universität Wien tätig und ab 1964 nach ihrer Promotion „Assistentin“; 1964-1984 Redaktionsleitung der Institutszeitschrift: „Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes“; ab 1966 Lehrveranstaltungen aus Vorderasiatischer Archäologie; 1969/70 Stipendium vom British Council für ein „post-graduate“ Studium bei Sir Max Mallowan, Oxford, England; Frühjahr 1971 Studien-Reise in den Irak, Reisen zu antiken Städten wie Ninive, Nimrud, Babylon, Borsippa, Ur; 1977 Habilitation an der Universität Wien; 1988 „Außerordentliche Universitätsprofessorin“; 1980-1986 zahlreiche Studien-Reisen nach London; 1980 Ausstellungskonzeption über Glyptik im Kunsthistorischen Museum in Wien; seit 1970 Teilnahme an internationalen Kongressen und Vortragstätigkeit; 1990-1991 Gastprofessur für Vorderasiatische Archäologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main; Studienreisen in den Jemen; 1992 und 1993 Vorträge an der Columbia University, New York, am Metropolitan Museum, New York, und der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, USA; 2000 und 2001 Studienreisen in den Iran; 2003 Ruhestand an der Universität Wien.

Geboren am 2. März 1940 in Graz als Tochter von Gottfried Bleibtreu, eines Neffen der Burgschauspielerin Hedwig Bleibtreu und seiner Frau Odilia Josepha (geb. Tropper). Sie besuchte das Real-Gymnasium Pestalozzi in Graz, immatrikulierte sich im Wintersemester 1958/59 an der Karl Franzens-Universität in Graz und studierte am „Institut für Orientkunde“, bei Professor Ernst Weidner, der 1943 als Ordinarius aus Berlin nach Graz berufen wurde, Sumerisch und Akkadisch, bei Professor Margarete Falkner (der Titel „Außerordentlicher Universitätsprofessor“ wurde ihr am 7. Februar 1958 verliehen) Vorderasiatische Archäologie und Kunstgeschichte des Alten Orients. Als zweites Fach wählte sie Klassische Archäologie bei Professor Erna Diez sowie Anthropologie bei Doz. Aemilian Kloiber. Das Studium der Systematischen Philosophie und der Geschichte der Philosophie war damals für das „Philosophicum“ an der „Philosophischen Fakultät“ vorgeschrieben. An römerzeitlichen Ausgrabungen nahm sie in Oberösterreich, bei Enns und in Linz, im Gelände der Voest, sowie an prähistorischen Grabungen in der Untersteiermark teil. Im Sommer 1961 unternahm sie eine Reise in die östliche Türkei, um an Grabungen bei Erzurum teilzunehmen. Ihr Studium an der Universität Graz schloss sie 1964 mit der Promotion aufgrund ihrer Dissertation: „Neubabylonische Bauinschriften: Napopolassar und Nebukadnezar“ (ungedruckt) ab. Im Jahre 1962 wurde sie zur halbtägigen „wissenschaftlichen Hilfskraft“ am Institut für Orientkunde der Universität Graz bestellt. Ab 1963 war sie als ganztägige „wissenschaftliche Hilfskraft“ an der Universität Wien tätig und ab 1964 als „Assistentin“. Von 1964 bis 1984 leitete sie die Redaktion der Institutszeitschrift: „Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes“. Ab 1966 hielt sie Lehrveranstaltungen aus Vorderasiatischer Archäologie, im Besonderen aus Kunstgeschichte Mesopotamiens und seiner Nachbargebiete vom vierten bis zur Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. Für das Studienjahr 1969/70 erhielt sie ein Stipendium von British Council, um in Oxford, England, ein „post-graduate“ Studium bei Sir Max Mallowan, dem Ehemann der Kriminalautorin Agatha Christie (Lady Mallowan, Dame of Empire), aufzunehmen. Im Frühjahr 1971 unternahm sie eine Reise in den Irak, um im Depot des Irak-Museums in Bagdad Elfenbein-Reliefs des 1. Jahrtausends v. Chr. zu studieren. Es folgten Reisen zu antiken Städten wie Ninive, Nimrud, Babylon, Borsippa, Ur und prähistorischen Siedlungen im damaligen Sumpfgebiet des südlichen Irak. Die Habilitation an der Universität Wien erfolgte 1977 mit der Lehrbefugnis für das Fach „Vorderasiatische Archäologie“. Als Universitätsdozentin wurde ihr 1988 der Titel „Außerordentliche Universitätsprofessorin“ verliehen. Von 1980 bis 1986 unternahm sie zahlreiche Reisen nach London um Denkmäler am British Museum zu studieren und um gemeinsam mit dem damaligen Direktor des „Department of Western Asiatic Antiquities“ am British Museum, Richard David Barnett, die erste vollständige Publikation der Reliefausstattung des Südwest-Palastes in Ninive der Zeit Sanheribs (704-681 v. Chr.) und Assurbanipals (668-627 v. Chr.) vorzubereiten. Als 1980 die „Rencontre Assyriologique Internationale“ in Wien stattfand, bereitete sie im Kunsthistorischen Museum in Wien eine Ausstellung über Glyptik vor. Rollsiegel aus dem Vorderen Orient des ausgehenden 4. bis zur Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. nach Beständen des Kunsthistorischen Museums in Wien, des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum in Graz sowie einiger Privatsammlungen wurden den Besuchern präsentiert. Seit 1970 nahm sie an mehreren internationalen Kongressen teil und hielt dort Vorträge. Im Sommer 1989 nahm sie an Arbeiten am Vorderasiatischen Museum der Staatlichen Museen in Berlin teil. Für das Studienjahr 1990-1991 erhielt sie eine Gastprofessur für Vorderasiatische Archäologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Es folgten Studienreisen in den Jemen mit Arbeiten in den Museen von Sana‘a und Aden. 1992 und 1993 erhielt sie Einladungen zu Vorträgen an der Columbia University, New York, am Metropolitan Museum, New York, und der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, USA. Sie unternahm 2000 und 2001 Studienreisen in den Iran mit Arbeiten am Nationalmuseum in Teheran. Im Zusammenhang mit der Iranausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien veröffentlichte sie mehrere Beiträge in Zeitschriften und dem Ausstellungskatalog. An der Universität Wien wurde sie 2003 in den Ruhestand versetzt, lebt und arbeitet seither in Wien. Der Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit liegt in der Rekonstruktion der Relief-Ausstattung neuassyrischer Paläste in Ninive und Nimrud, der thematischen und kunsthistorischen Untersuchung dieser umfangreichen Gruppe von Denkmälern, deren Fragmente weltweit in etwa 50 Museen verstreut sind. Eine Gruppe von Denkmälern der Kleinkunst, Rollsiegel des 4. bis 1. Jahrtausends v. Chr., von denen in Museen und Privatsammlungen derzeit mehr als 20.000 bekannt und publiziert sind, können mit ihren ausführlichen Darstellungen Aufschluss über religiöse und gesellschaftliche Gepflogenheiten geben wie sie zeitgleiche Texte in dieser Vielfalt nicht vermitteln können. Ihr besonderes Anliegen ist die Verbindung zwischen Groß- und Kleinkunst derselben Epochen, die einander ergänzen und Aufschluss geben können über kulturelle und künstlerische Eigenheiten des jeweiligen Kulturkreises.
Seit 2005 arbeitete sie mit dem Klassischen Archäologen, Professor Jürgen Borchhardt zusammen, der 15 Jahre lang die Grabungen in Limyra (Lykien, Türkei) leitete. Einflüsse auf das ab dem 7. Jh. V. Chr. griechisch orientierte westliche Kleinasien sind aus dem Vorderen Orient (heutige Türkei, Syrien, Irak und Iran) nachweislich festzustellen. Zusammenhänge dieser Kulturen des Vorderen Orients mit der griechischen in der Antike aufzuzeigen, ist die Aufgabe der von beiden gemeinsam verfassten Artikel und umfangreichen Publikationen. Es ist geplant, diese Zusammenarbeit auch in Zukunft fortzusetzen.

Literatur / Quellen

Selz, G. J./Wagensonner, K. (Hg.): Orientalische Kunstgeschichte(n), Festschrift für Erika Bleibtreu: Wiener Offene Orientalistik. Bd. 13. Wien, 2012.

Werke

Die Flora der neuassyrischen Reliefs. Eine Untersuchung zu den Orthostatenreliefs des 9.-7. Jahrhunderts v. Chr., Sonderband I der Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. Wien, 1980.
Rollsiegel aus dem Vorderen Orient. Zur Steinschneidekunst zwischen etwa 3200 und 400 vor Christus nach Beständen in Wien und Graz. Wien, 1981.
Darstellungen des 7. Jahrhunderts v. Chr. Beiheft 28 zum Archiv für Orientforschung, Wien, 1999.
Gem. mit Barnett, R. D./Turner, G.: Sculptures from the Southwest Palace of Sennacherib at Nineveh, Band I (Text), Band II (Tafeln). London, 1998.
Ein vergoldeter Silberbecher der Zeit Assurbanipals im Miho Museum. Historische Darstellungen des 7. Jahrhunderts v. Chr., Beiheft 28 zum Archiv für Orientforschung. Wien, 1999.
Gem. mit Borchhardt, J.: Strukturen lykischer Residenzstädte im Vergleich zu älteren Städten des Vorderen Orients. Istanbul, 2013.
Gem. mit Steymans, H. U. (Hg.): Edith Porada zum 100. Geburtstag. A Centenary Volume. Orbis Biblicus et Orientalis 268. Fribourg/Göttingen, 2014.
Gem. mit Borchhardt, J.: Das ‚Harpyien-Monument‘ von Xanthos, Kenotaph für Gybernis, Admiral der lykischen Flotte unter Xerxes I. (485-465 v. Chr.). Wien (in Vorbereitung) 2016.

Roll- und Stempelsiegel im Bernischen Historischen Museum. In: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums 51/51. 1971-1972, S. 285-303.
Zur Problematik von „Tierkapelle“ und „Tiersymposion“ in der mesopotamischen Flachbildkunst. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes LXVII, 1975, S. 1-19.
Mesopotamische Rollsiegel und sasanidische Stempelsiegel im Joanneum, Graz. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes LXVIII, 1976, S. 106-130.
Ein neuassyrisches Relief in Wien. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes LXIX, 1977, S. 41-43.
Syrische Kunstwerke. Privatsammlung Parag. In: Stadtmuseum Linz 1984. S. 3-12.
Layard’s Drawings of Assyrian Palace Reliefs. In: Austen Henry Layard tra l’Oriente e Venezia. 1987, S. 195-201.
Zerstörung der Umwelt. Löwenjagd und Bäumefällen. In: B. Scholz (Hg.), Der orientalische Mensch und seine Beziehungen zur Umwelt, 1989, S. 219-233.
Five Ways to Conquer a City. In: Biblical Archaeology Revue XVI, 1990, S. 36-44.
Stempelsiegel aus dem Vorderen Orient. In: Zwierlein-Diehl, E.: Antike Gemmen des Kunsthistorischen Museums in Wien. 1991, S. 115-144.
Semiramis und andere Gemahlinnen assyrischer Könige. In: Specht, E. (Hg.): Nachrichten aus der Zeit. Ein Streifzug durch die Frauengeschichte des Altertums 18. 1992, S. 57-72.
Standarten auf neuassyrischen Reliefs und Bronzetreibarbeiten. In: Baghdader Mitteilungen 23, 1992. S. 347-356.
Die Siegelinhaber. In: Klengel-Brandt, E. (Hg.): Mit sieben Siegeln versehen, 1997, S. 92-103.
Zur großen Tempelanlage von Sirwah (Haulan). In: Beiträge zum 1. Internationalen Symposion Südarabien interdisziplinär 1997, S. 19-32.
Ein Chalzedon-Rollsiegel aus dem Oxus-Schatz und seine Nachahmung in Gold. In: Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 30, 1999, S. 145-154.
Iran in prähistorischer Zeit bis zu den Medern. In: Seipel, W. (Hg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran, 2000, S. 41-54 und 187-216.
Zum Schema der Kriegsdarstellungen auf neuassyrischen Wandreliefs des 9. – 7. Jahrhunderts v. Chr. In: Bietak, M. / Schwarz, M. (Hg.): Krieg und Sieg. Narrative Wanddarstellungen von Altägypten bis ins Mittelalter, 2002, S. 69-79.
Zur Genesis des Zepters, gemeinsam mit J. Borchhardt. In: Italo – Turco – Romana, Festschrift Luciana Aigner-Foresti, 2006, S. 47-71.
Gem. mit Borchhardt, J.: Der Sonnenschirm als Zeichen der Herrschaft,. In: Christof, E. et al. (Hg.): ПОТNIA ΘHPΩN, Festschrift für Gerda Schwarz zum 65. Geburtstag. 2007, S. 29-67.
Assyrien (Irak) „friedlich“ gesehen. In: Meyer, M. (Hg.): Friede. Eine Spurensuche, 2008, S. 45-60.
Von der Pferdedecke zum Sattel. Antike Reitkunst zwischen Ost und West, gemeinsam mit J. Borchhardt. In: Euergetes, Festschrift Haluk Abbasoǧlu zum 65. Geburtstag. 2008, S. 167-215.
Felix von Luschan und die Stele Asarhaddons. In: Ruggendorfer, P. / Szemethy, H. D. (Hg.): Felix von Luschan (1854-1924). Leben und Werk eines Universalgelehrten. 2009, S. 295-306.
Gem. mit Borchhardt, J.: Aspektive und Perspektive im neuassyrischen Flachbild. In: Wiener Offene Orientalistik 6, 2011, S. 477-527.
Gem. mit Borchhardt, J.: Ein elamischer Page in der Entourage des persischen Großkönigs im Westfries des Heroons von Zẽmuri / Limyra. In: Istanbuler Mitteilungen, Band 62, 2012, Istanbu, 2012, S. 119-160.
Die Feldzüge Assurbanipals nach Ägypten. In: Florilegium Aegyptiacum – Eine wissenschaftliche Blütenlese von Schülern und Freunden für Helmut Satzinger zum 75. Geburtstag am 21. Jänner 2013. Göttinger Miszellen, Beiheft 14, Göttingen, 2013, S. 21-40.
Wiener Studentin, Edith Porada (1912-1994), als Doyenne der Vorderasiatischen Archäologie. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 103, Wien, 2013, S. 49-71.
Bemerkungen zum Königreich ’Awsān. In: Stiegner, R. (Hg.): Wiener Offene Orientalistik X, S. 1-28, Wien 2016 (im Druck).

BiografieautorIn:

Erika Bleibtreu

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