Björkman-Goldschmidt Elsa; Krankenschwester und Auslandskorrespondentin
Geb. Linköping, Schweden, 1888
Gest. Stockholm, Schweden, 1982

E. B. wurde 1888 im schwedischen Linköping geboren. Sie besuchte das Lehrerinnenseminar und die Kunstakademie in Stockholm. Während des Ersten Weltkriegs war sie als Krankenschwester in der Betreuung von deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen in Russland und Sibirien tätig. Von der freiwilligen Meldung überzeugt hatte sie ihre Studienkollegin und Freundin Elsa Brändström, die später als „Engel von Sibirien“ bekannt wurde (Juhl 1962, 92). Die Lebensbedingungen der Gefangenen waren für die junge Frau aus gutem Hause unvorstellbar: „Ganze Städte von Erdbaracken entstehen, in die die Gefangenen hineingepfercht werden. Auf zwei, drei oder gar vier Pritschenreihen liegen sie übereinander. Die Baracken sind eineinhalb bis zwei Meter in die Erde eingegraben und mit Schneewällen umgeben, um sie gegen die grimmigste Kälte zu schützen, die 50 und 60 Grad erreicht. […]. Fast alle Lager sind überbelegt, dazu verlaust und verwanzt. Bisweilen ist die Flohplage unvorstellbar, und Ratten und Mäuse treten in Scharen auf“ (Juhl 1962, 67).
Von 1919 bis 1923 arbeitete B. für die schwedische Hilfsorganisation „Rädda barnen“ (Rettet das Kind) in Wien. 1921 heiratete sie Dr. Waldemar Goldschmidt, Arzt am Wiener Rothschild-Spital, den sie als Kriegsgefangenen in Sibirien kennengelernt hatte. Das Ehepaar verkehrte in den Salons von Eugenie Schwarzwald und Bertha Zuckerkandl (Schreiber 2008, 273).
Die 1919 gegründete Organisation „Rädda barnen“ kooperierte mit dem schwedischen Roten Kreuz, aber auch mit bestehenden österreichischen Wohlfahrtseinrichtungen – von der Caritas über das Schwarzwald’sche Wohlfahrtswerk bis zum sozialdemokratischen Wiederaufbauprogramm der Gemeinde Wien (Schreiber 2008, 276). Kleider, Säuglingspakete, Lebensmittel wurden zur Verfügung gestellt; außerdem wurden medizinische Programme gestartet. Bei Untersuchungen im „Kriegskinderbüro“ wurden Kinder für Erholungsaufenthalte in Schweden ausgewählt. In ihren Erinnerungen schildert B. auf humorvolle Weise, wie sie von den Wienerinnen und Wienern aufgenommen wurden und wie sie die Hilfsdienste anlegen wollten: „Bevor wir unsere Arbeit begannen, überlegten wir, welche Art der Verteilung für die Empfänger leichter anzunehmen und weniger erniedrigend war. Wir entschlossen uns, dies so unpersönlich wie möglich zu handhaben. Jeder, der sich nach unseren Untersuchungen und Recherchen als bedürftig erwies, sollte ein Papier erhalten, das den Berechtigten – ohne nochmalige Erklärungen über seine Hilfsbedürftigkeit – zum Bezug der angeführten Waren bevollmächtigte. So etwas wie eine Art Geschenkkarte sollte zweifellos die erträglichste Lösung für die Empfänger sein. Das war ein großer Irrtum. Die Wiener wollen über ihre Probleme sprechen. Sie lieben es, all das Unfassbare, das ihnen geschehen ist, ausführlich auszubreiten“ (Schreiber 2007, 32-33).
Noch heute erinnern übrigens die nach dem 1. Weltkrieg geschaffenen Bezeichnungen „Schwedenbrücke“ und „Schwedenplatz“ an das große soziale Engagement der schwedischen Bevölkerung in Österreich (Schreiber 2008, 284). 1923 wurde die offizielle Hilfsaktion beendet. B. arbeitete danach als schwedische Auslandskorrespondentin, zum Beispiel für „Dagens Nyheter“, unter dem wienerisch angehauchten Pseudonym „Mélange“. 1938 erlebte B. den „Anschluss“ und den Beginn des Naziterrors: „Die kleine Liesel (von Z.), die in eine Klosterschule ging, erlebte in diesen Tagen ihren ersten Glaubenskampf. ‚Mama, ich glaube Gott ist Nazi’, brach es plötzlich zum Erstaunen der Familie aus ihr heraus. ‚Warum hat er es denn nicht einfach regnen lassen, als Hitler einzog. Das hätte er doch machen können, Papa’, rief sie und brach in Tränen aus. […] Ingenieur Fritz S., von dem man sagte, das er geniale Karikaturen zeichnete, aber zu gutmütig war, sie herzuzeigen, war weggeschafft worden. Später hörten wir, seine Witwe hatte für achtzehn Mark und eine Quittung seine Urne erhalten“ (Schreiber 2007, 226).
Immer mehr Personen aus dem Freundes- und Kollegenkreis wurden verhaftet, begingen Selbstmord oder waren plötzlich „verschwunden“. Wenig später bekam das Ehepaar Björkman-Goldschmidt dank der Fürsprache des schwedischen Gesandten einen Passierschein und konnte Wien rechtzeitig verlassen. Im Winter 1945/46 kehrte B. aus Schweden für „Rettet das Kind“ nach Wien zurück und verbrachte hier auch die folgenden Winter bis 1949. 1956 engagierte sich B. in der Betreuung von Ungarnflüchtlingen – nur „Rädda Barnen“ und der Malteserorden durften direkt an der österreichisch-ungarischen Grenze arbeiten (Schreiber 2007, 371).
Nach ihrer Rückkehr in die schwedische Heimat setzte sich B. über die literarische Akademie „Samfundet De Nio“ für die Förderung der schwedischen Belletristik ein, hielt Vorlesungen und gestaltete Radioprogramme (Öhman 2003, 174). In ihren zahlreichen Büchern schildert B.-G. humorvoll und anschaulich ihre Erfahrungen als Mitarbeiterin von schwedischen Hilfsorganisationen in Wien, ihre Begegnungen mit Menschen aus verschiedensten Gesellschaftsschichten und Erlebnisse mit Persönlichkeiten der österreichischen Politik und Kultur. B. starb 1982 in Stockholm (Tagblattarchiv TP 004173).
Qu.: Tagblattarchiv TP 004173: Elsa Björkman-Goldschmidt, Tagblattarchiv TP 005242: Elsa Brändström-Ulich.
W. u. a.: „Det var i Wien (Es geschah in Wien)“ (1944), „Donaurapsodi (Donaurhapsodie)“ (1945), „Wien vaknar (Wien erwacht)“ (1949), „Jag minns det som i går (1962)“, „Vad sedan hände (Was dann geschah) (1964)“, „Den värld jag mött“ (1967), „Vägen till Villagatan“ (1976)
L.: Juhl/Klante/Epstein 1962, Öhman 2003, Padberg 1968, Schreiber 2007, Schreiber 2008a

Monika Bargmann