Berg Helene, geb. Nahowski od. Nahowsky; Musikerin
Geb. Wien, 29.7.1885
Gest. Wien, 30.8.1976
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Anna Nahowski, Blumenbinderin; offizieller Vater: Franz Nahowski. Es galt jedoch als offenes Geheimnis, dass der biologische Vater Kaiser Franz Joseph I. war, mit dem Anna Nahowski ein langjähriges Verhältnis hatte.
Ausbildungen: Ausgebildete Opernsängerin.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heirat mit dem Komponisten Alban Berg (1885-1935) am 3.5.1911 in der Evangelischen Kirche in der Dorotheergasse, 1010 Wien.
Laufbahn: Die Opernsängerin H. B. entstammte einer wohlhabenden Familie. Im Jahr 1906 traf sie Alban Berg, der sich fünf Jahre lang dem Missfallen ihrer Eltern zum Trotz um ihre Hand bemühte. Der Vater wollte keinen katholischen, stets arbeitslosen Schwiegersohn von schlechter Gesundheit akzeptieren. Berg konvertierte zum Protestantismus, die beiden heirateten, und Berg kehrte zurück zum katholischen Glauben. Die Ehe verlief glücklich, wenn auch kinderlos. H. B. begleitete ihn auf die meisten seiner Reisen, ging mit ihm zu Diners und Konzerten. Sie gab ihm konstruktive Rückmeldungen zu seinen Werken und wurde zu seiner Beraterin. Sie bemühte sich, ihm zu Hause ein ruhiges und entspanntes Umfeld zu schaffen, um ihm das Komponieren zu ermöglichen. Obwohl Alban Berg sich öffentlich zu seiner unehelichen Tochter Albine Berg bekannt hatte, wurde diese nie zum Thema zwischen dem Ehepaar. Es gab keinen Kontakt zu Albine und H. B. lernte sie nie kennen. Ab 1910 verbrachte das Ehepaar die Sommerurlaube im Haus der Eltern von H. B., in der später nach dem Komponisten benannten Alban-Berg-Villa in Trahütten in der Südweststeiermark. Im Mai 1925 lernte Berg Hanna Fuchs-Robettin kennen und begann eine Affäre mit ihr. Es ist nicht klar, ob H. B. davon wusste, die Affäre wurde erst nach ihrem Tod öffentlich bekannt. Nach Außen hin wurde der Schein einer glücklichen Ehe jedenfalls aufrechterhalten. Nach Alban Bergs frühem Tod im Alter von nur 50 Jahren lebte H. B. noch vierzig Jahre lang. Sie vermählte sie sich nicht mehr, sondern trat als trauernde Witwe auf. Leonard Bernstein erzählt, H. B. habe die ehemals gemeinsame Wohnung in Wien-Hietzing in eine Art Museum umgewandelt: Die Totenmaske Bergs sei prominent platziert, ebenso seine Kleidung, die hinter Glas gehalten und wöchentlich gewaschen wurde, außerdem seien die Uhren im Hause an seinem Todeszeitpunkt still gestanden. Geschätzte Besucher bekamen einen Zigarettenstummel Bergs geschenkt, die H. B. aufbewahrte. H. B. war Bergs Erbin und Nachlassverwalterin und kümmerte sich eifrig um das Vermächtnis ihres Gatten. Während der NS-Zeit galten Bergs Werke als „entartete Kunst“, H. B. konnte jedoch sein gesamtes Oeuvre unter großen Mühen in Sicherheit bringen. Sie gründete 1968 die „Alban-Berg-Stiftung“, die der Pflege des Andenkens an den Komponisten dient, wissenschaftliche Arbeiten ermöglicht und herausgibt sowie Stipendien für Musikstudenten vergibt. Die originalen Briefe, die Berg ihr geschrieben hatte, hielt H. B. unter Verschluss; die 1965 herausgegebene Sammlung eines Teils der Briefe ist nach zahlreichen Streichungen H. B.s erschienen. H. B. lebte zuletzt in einer Villa im 13. Wiener Gemeindebezirk. Umstritten war ihre Position zu Alban Bergs unvollendet gebliebener Oper „Lulu“, die Berg heimlich seiner Geliebten gewidmet hatte. H. B. untersagte testamentarisch die Fertigstellung und verbot den Einblick in Bergs Partiturenskizzen. Nur durch einen Kompromiss zwischen der Alban-Berg-Stiftung und der Wiener Universal Edition konnte die von Friedrich Cerha orchestrierte dreiaktige Version von „Lulu“ nach H. B.s Tod 1979 an der Pariser Oper uraufgeführt werden.
Qu.: Tagblattarchiv (Personenmappe).
W.: Hg.: „Alban Berg – Briefe an seine Frau“ (1965)
L.: Berg-Briefe. Kusserln vom Floh. In: Der Spiegel, 17.1.1966, Gefährtin eines Genies. In: Die Presse, 31.8.1976, Helene Berg. In: Die Furche, 11.9.1976