Beer-Hofmann Paula; Muse
Geb. Wien, 25.2.1879
Gest. Schweiz, 30.10.1939
P. B.-H. wird als Pauline Anna Lissy am 25. Februar 1879 in Wien geboren. Ihre Mutter stirbt als P. fünfzehn Jahre alt ist. Das junge Mädchen arbeitet nach diesem für sie schrecklichen Verlust als Verkäuferin in einer Wiener Konditorei. Im Dezember 1895 lernt die sechzehnjährige P. dort den um dreizehn Jahre älteren bedeutenden Dichter der Wiener Moderne, Richard Beer-Hofmann, kennen. Am 4. September 1897 wird Miriam, die älteste Tochter der Hofmanns geboren. Für sie schreibt Richard Beer-Hofmann das Gedicht „Schlaflied für Miriam“, das 1898 erstmals erscheint. P. und Richard heiraten am 14. Mai 1898 in der Synagoge im 8. Wiener Gemeindebezirk. Einer der Treuzeugen ist Arthur Schnitzler. Der Geburt Miriams folgen noch zwei weitere Kinder. Am 20. Dezember 1898 wird die zweite Tochter Naëmah geboren, am 9. Jänner 1901 der Sohn Gabriel.
Zu einem sehr späten Zeitpunkt, am 19. August 1939, verließen die Hofmanns, beide schon recht betagt und P. an einer Herzkrankheit leidend, das nationalsozialistische Wien, das für sie aufgrund ihres mosaischen Religionsbekenntnisses zum lebensbedrohlichen Ort geworden war. Um die Reisekosten und die Fluchtsteuer bezahlen zu können, müssen sie drei Häuser in Wien unter Wert verkaufen. Durch einen glücklichen Zufall wird die Immigration in die USA bewilligt, obwohl das State Department die administrativen Bestimmungen in den Jahren 1938/39 verschärft hatte. Der Emigrationspfad soll planmäßig von Zürich, wo sie der Literaturherausgeber und Freund der Familie, Herbert Steiner, erwartet, über Paris und Rotterdam zur Holland-Line nach Southhampton führen, wo Tochter Miriam zusteigen soll. Doch nach der gelungenen Flucht nach Zürich werden die weiteren Fluchtpläne durch ein tragisches Ereignis gestört. Anfang September mieten sich Richard und P. Hofmann in einer Pension in der Züricher Seegartenstraße ein. Doch die Aufregungen bei der Planung der Emigration und die Strapazen der Reise sind für P. zu viel, sie erleidet am 17. September eine schwere Herzattacke und wird daraufhin in das Rotkreuzspital nach Flundern gebracht, wo sie kurz darauf, am 30. Oktober 1939, verstirbt. Richard Hofmann ist nach dem Tode seiner Frau völlig gebrochen, schreibt verzweifelte Briefe an seine Freunde und lässt die Schiffskarten, welche seine Frau und ihn in Sicherheit hätten bringen sollten und die allein zu benützen ihm nunmehr sinnlos erscheint, verfallen. Zwei Wochen nach der Beisetzung von P. B.-H. schifft sich der greise Dichter am 14. November 1939 schließlich doch in Genua ein. Er landet am 23. November 1939 in New York und wird dort von Freunden und Mitgliedern der deutsch–jüdischen EmigrantInnengemeinschaft empfangen. Die Eingewöhnung in ein ihm fremdes Leben fällt ihm schwer. Obwohl er bei seinen Töchtern Miriam und Naëmah lebt und in den deutsch-jüdischen EmigrantInnenkreisen hochgeachtet wird, kann er den Verlust seiner Frau nicht verwinden. Er entschließt sich, das jüdische Trauerritual, für das in der Schweiz zu wenig Zeit war, nachzuholen. Richard Beer-Hofmann schafft sich seine eigene Form des Totengedenkens und schreibt das Erinnerungsbuch „Paula, ein Fragment“. Mit Hilfe dieses Buches, das P. eine Art Nachleben schenkt, nimmt Richard Beer-Hofmann am gesellschaftlichen Leben seines Gastlandes teil. Er veranstaltet Lesungen an den Universitäten von Harvard und Yale, kümmert sich um Neuausgaben und Übersetzungen, nimmt Englischstunden und arbeitet bis zu seinem Tode am 26. September 1945 an seinem letzten Werk „Paula“.
L.: Beer-Hofmann 1949, Beer-Hofmann 1994, Kosena 1999, Illustrierte Neue Welt (Wien) Juni/Juli 1985
Karin Nusko