Baumgartl Leopoldine, geb. Lorenz; Filmmanipulantin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 19.7.1901
Gest. Wien, 4.10.1975

L. B. wurde am 19. Juli 1901 als Tochter des Kohlenhändlers Georg Lorenz und seiner Frau Maria in Wien geboren. Sie besuchte in Wien die Volks- und Bürgerschule und anschließend zwei Klassen der Handelsschule. Danach wird sie in der „Vita Film, Industrie AG“ in Wien als Beamtin angestellt. Dort war sie bis 1925 beschäftigt. Sie heiratete den Hauptschullehrer Johann Baumgartl. 1935 wird die Ehe geschieden. L. B. lebte von den Unterhaltsbeträgen ihres Mannes. Sie tritt 1940 dem NS-Frauenwerk bei. Im Sommer 1939 lernt sie im Erholungsheim Wällischhof bei Wien den Stadtinspektor der Gemeindeverwaltung Wiens, Lothar Dirmhirn, kennen. Lothar Dirmhirn ist von 1938 bis 1941 Funktionär der illegalen Wiener Stadtleitung der KPÖ und gründet bei seiner Arbeitsstelle, den Städtischen Wasserwerken, eine illegale kommunistische Betriebszelle, deren Mitglieder Beiträge zur Unterstützung der Angehörigen verhafteter Kommunisten leisten. Das so begonnene freundschaftliche Verhältnis setzte sich in Wien fort. Im Herbst 1940 übergibt Lothar Dirmhirn L. B. eine Rolle mit kommunistischen Flugblättern zur Aufbewahrung. Lothar Dirmhirn wird am 27. Jänner 1941 gemeinsam mit seiner Frau Hermine verhaftet. Unter Druck der Gestapo-Verhöre gibt Lothar Dirmhirn die Anschrift von L. B. preis und sendet ihr einen Brief, nachdem sie einem „Freund“ (einem getarnten Gestapo-Beamten) das Material übergeben sollte, was sie auch tat. Lothar Dirmhirn gilt der Gestapo trotz seiner körperlichen Behinderung − als Spätfolgen einer Kinderlähmung war sein linkes Bein zur Gänze, sein rechtes halb gelähmt − wegen seiner „umfassenden Bildung und seiner gründlichen Kenntnis der kommunistischen Lehre“ als besonders gefährlich. In seinen Aufsätzen, die er sowohl für Flugblätter als auch für kommunistische Zeitungen verfasst, wendet er sich besonders gegen den deutschen Kapitalismus und die daraus resultierende Unterdrückung des eigenen Volkes sowie die brutale Beraubung der Selbstständigkeit anderer Nationen durch aufgezwungene Kriege. Das Ehepaar Dirmhirn wird am 17. November 1942 vom Volksgerichtshof wegen Zersetzung der Wehrkraft, Begünstigung des Feindes und Vorbereitung zum Hochverrat „zum Tode und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte“ verurteilt und am 26. Februar 1943 im Wiener Landesgericht durch das Fallbeil hingerichtet. Bei der Einvernahme durch die Gestapo bestreitet L. B., dass sie von der kommunistischen Tätigkeit Lothar Dirmhirns wusste und meinte, sie kenne auch den Inhalt der Flugschriften nicht, was ihr nicht geglaubt wird. Als strafmildernd wird anerkannt, dass sie Lothar Dirmhirn „in einem gewissen Sinne hörig gewesen ist“: „Die Angeklagte hat daher nicht mit Tätervorsatz gehandelt, um die kommunistische Bewegung zu fördern, sie hat vielmehr nur das Vorhaben des Lothar Dirmhirn. mit Gehilfenvorsatz unterstützt.“ Besonders erschwerend bei der Strafbemessung war die „Kriegstat“. Am 22. Juni 1941, nach dem Überfall der Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht endet der Hitler-Stalin-Pakt. Die Urteile gegen tatsächliche und vermeintliche KommunistInnenen verschärfen sich. L. B. wurde am 22. Dezember 1941 vom Oberlandesgericht Wien wegen Unterstützung des Widerstandskämpfers Lothar Dirmhirn zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Qu.: DÖW 8234, 19793/20, 2000/D75.
L.: Dokumentationsarchiv 1984, Weinert 2004

Karin Nusko