Basile Cattaneo, Margherita; Kammermusikerin (Sängerin) am Wiener Kaiserhof
Geb. ?
Gest. nach 1641
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Daniele und Cornelia Basile, geb. Usciolo (?); Geschwister: Giovanni Battista (Giambattista) (1566-1632), verheiratet mit Flora Santora; Lelio († nach 1623); Donato; Adriana (Andreana) († nach 1642), verheiratet mit Muzio Baroni; Vittoria, „La Tolla“; Giuseppe, Francesco.
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet seit 1615 mit Ettore Cattaneo Dadi; Kinder: Söhne; Tochter; Hippolita Catharina.
Laufbahn: M. B. entstammte einer neapolitanischen Dichter- und Musikerfamilie. Ihr Bruder, der Poet Giovanni Battista Basile, ist der Nachwelt vor allem durch seine Märchensammlung „Il Pentamerone“ (1634/1636) bekannt; zwei ihrer Brüder, Donato und Lelio, waren Komponisten, ein Bruder, Francesco und zwei ihrer Schwestern, Adriana und Vittoria, widmeten sich der Gesangskunst. Besondere Berühmtheit erlangte Adriana, die als „virtuosa“ Furore machte und als „la bell’ Adriana“ in die Musikgeschichte einging; auch deren Töchter Leonora (1611-1670) und Catarina (1619-nach 1662) waren musikalisch hochbegabt. Francesco ist als Tenor am polnischen Königshof in den Jahren 1634-1652 nachgewiesen.
Seit 1610 hielten sich Adriana und ihre Familie sowie ihre Geschwister Francesco, Lelio und Vittoria in Mantua auf, wo auch Claudio Monteverdi (1567-1643) und seine Frau Claudia Cattaneo († 1607) in den Diensten der Gonzaga standen. M., die in Neapel verheiratet werden sollte, kam ebenfalls auf Einladung und Bitten des Herzogs Ferdinando I. (1587-1626) Ende April 1615 nach Mantua, wo sie auf Initiative des Herzogs, am 27. Juni mit Ettore Cattaneo Dadi, einem Verwandten von Monteverdis Schwiegervater Giacomo Cattaneo, verheiratet wurde; der Herzog hatte ihre Hochzeit mit 5000 Scudi dotiert. Aus unbekannten Gründen fiel sie Anfang August kurzfristig beim Herzog in Ungnade. Komponisten empfahlen sie für Partien ihrer Werke; Andrea Falconieri 1615 schlug M. sowie ihre Schwester Adriana 1615 für seine an den Herzog adressierten Vokalkompositionen vor, und Monteverdi sah sie und ihre beiden Schwestern 1616 für die drei Sirenen in „Le nozze di Tetide“ vor, wenngleich dieses Stück nicht aufgeführt wurde. 1617 dürfte sie in „Gli amori di Aci e Galatea“ mit dem Libretto Gabriello Chiabreras und der Musik von Santi Orlandi, aufgeführt anlässlich der Hochzeit Herzog Ferdinandos mit Caterina de’ Medici, aufgetreten sein, jedoch scheint ihr die ihr zugeteilte Rolle nicht sehr zugesprochen zu haben. In seiner Anthologie „La cetra di sette corde“ (Venedig 1619) verewigte Francesco Rasi (1574-1621) M. und Adriana literarisch. In Mantua stand M. im Schatten ihrer berühmten Schwester. Aus den überlieferten Zahlungen von 1619 und 1622 geht hervor, dass ihr Gehalt nur ein Fünftel dessen von dem Adrianas betrug. Erst mit dem Abgang dieser vom Hof in Mantua 1624, stieg sie zur führenden Sängerin auf. 1625 gewährte ihr der Herzog eine Pension von 120 Scudi, die sein Nachfolger Vinzenco II. (1594-1627) 1626 bestätigte. Claudio Monteverdi sah in ihr (Brief vom 7. Mai 1627) die geeignete Besetzung der sehr anspruchsvollen Rolle der Licori in Giulio Strozzis „La finta pazza Licori“, zu deren Aufführung es jedoch nicht mehr kam, wohl aufgrund der einsetzenden politischen Wirren rund um die Erbfolge im Herzogtum, ausgelöst vom Tod des Herzogs Vincenzo II. zu Weihnachten des Jahres 1627.
Mit anderen Musikern aus Mantua wie der Familie Rubini und dem Sänger, Komponist und Kapellmeister Francesco Dognazzi († nach 1644) fand M. Aufnahme am Wiener Kaiserhof, wo Eleonore Gonzaga (1598-1655) seit 1622 Kaiserin war. In Wien wurde ihr zweifelsohne ein Starstatus zugeschrieben, wie die explizite Anführung ihres Namens neben dem der Sängerin Lucia Rubini unter der Aufzählung der Musiker, die im Mai 1630 zum Gefolge, das Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) zum Kurfürstentag nach Regensburg begleiteten, belegt. In Regensburg trat sie auch erfolgreich auf. Im Jänner 1631 steht sie bereits fest in kaiserlichen Diensten und tritt im Rahmen der kaiserlichen Kammermusik auf. Bei den musikalischen Darbietungen anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des späteren Kaisers Ferdinand III. (1608-1657) mit Maria Anna von Spanien (1606-1646) von Ende Februar bis Mitte März wird sie sicher mitgewirkt haben, war doch diese Hochzeit der Grund, warum sie aus ihrer Heimatstadt nach Wien gekommen ist, wie sie 1639 in einem Gesuch an den Kaiserhof angibt. Am 15. April 1631 wird ihre Tochter Hippolita Catharina in der Michaelerkirche in Wien aus der Taufe gehoben. Das Kaiserpaar fungiert als Taufpaten.
1632 befindet sie sich wieder in Mantua und wird unter den Mitgliedern der Musikkapelle geführt; auch im September 1636 ist sie dort zugegen und erhält vom Hof eine Landschenkung. 1637 geht sie mit der Erzherzogin Cäcilia Renata (1611-1644), die mit dem polnischen König Władysław IV. (1595-1648) verheiratet wurde, nach Warschau. Dort übernahm sie die Titelrolle in „La Santa Cecilia“ sowie in dem Ballett „L‘Africa supplicante“ am 14. Februar 1638. In Ausübung ihrer Partie trat sie auf einem Elefanten sitzend auf, und ihre Performance ließ keine Wünsche offen. Es ist anzunehmen, dass sie auch in allen anderen Opern- und Ballettaufführungen, die 1637 und 1638 in Warschau gespielt wurden, mitwirkte. Ihr Aufenthalt in Polen brachte auch ein Wiedersehen mit ihrem Bruder Francesco, der mindestens seit 1634-1652 als Tenor am polnischen Königshof wirkte. Wahrscheinlich kehrte sie Mitte 1638 nach Wien zurück. 1639 suchte sie in Wien um ihre weitere Bezahlung bzw. um eine Gnadengabe an. 1641 bewilligte ihr schließlich Kaiser Ferdinand III. eine Gnadenzahlung in der Höhe von 3000 Gulden.
Qu.: Wien, Pfarre St. Michael, Catalogus Baptizatorum, Bd. 2 (1626-1642) fol. 83.
L.: Antonicek 1971, Bertini/Fabris 2001, Glinski 1943, Knaus 1967, Parisi 1992, Parisi 1994, Saunders 1990, Saunders 1995, Seifert 1985, Seifert 2003, Steinheuer 1999, Stevens 1995, Szweykowska/ Szweykowski 1997, Venturini 2002, Żόrawska-Witkowska 2006
Ingrid Roitner