Altmann-Loos, Elsie

Tänzerin und Sängerin
Geb. Wien, 27.12.1899
Gest. Buenos Aires, Argentinien, 19.5.1984

E. A. wird am 27. Dezember 1899 als Tochter eines Advokaten in Wien geboren. Ihre Herkunft ist das bürgerlich-jüdische Milieu Wiens um die Jahrhundertwende. Sie besucht die renommierte Schwarzwaldschule, die von der Pädagogin Genia Schwarzwald gegründet wurde. Dort begegnet E. A. erstmals 1909 im Alter von 10 Jahren dem Wiener Architekten Adolf Loos, der an dieser Schule zeitweise unterrichtet und auch ein Freund von Genia und Hermann Schwarzwald ist. Von ihm stammen die Entwürfe für den Bau der Semmeringschule, der Schule in der Wallnerstraße und der Wohnung des Ehepaares Schwarzwald. Laut eigenen Angaben verliebt sich E. A. 1917 in den um mehr als dreißig Jahre älteren Mann, obwohl sie bereits im Alter von 14 Jahren auf Wunsch der Mutter mit Alexander Grünfeld verlobt worden war. E.s Eltern wollten nichts von einer Verbindung ihrer Tochter mit Loos wissen, wozu sowohl der Altersunterschied der beiden als auch der für bürgerliche Verhältnisse anstößige Lebenswandel von Adolf Loos beitrug. Ein weiterer Grund für die Ablehnung mag auch die Weigerung von Lina Loos, der ersten Frau des Architekten, gewesen sein, in eine Scheidung einzuwilligen, obwohl die Ehe der beiden nur noch auf dem Papier bestand. Wegen dieser Schwierigkeiten mit den Eltern beschließt E., ihren Verlobten am 19. Jänner 1918 pro forma zu heiraten. Nach der Hochzeit fährt das Hochzeitspaar in das Hotel „Panhans“ am Semmering, von dort flüchtet E. noch in derselben Nacht und wird von der Polizei zu ihren Eltern zurückgebracht. Dort bleibt sie nur unter der Bedingung der sofortigen Scheidung, eine Forderung die erfüllt wird. Die Einwände der Eltern gegen Adolf Loos sind jedoch nicht zu beseitigen. E. L. erreicht ihre vorzeitige gerichtliche Volljährigkeitserklärung und heiratet am 4. Juli 1919 den mittlerweile geschiedenen Adolf Loos im Wiener Rathaus; ihren Hochzeitstag verbringt das Ehepaar Loos auf der Baustelle eines der Häuser, die nach Loos‘ Entwürfen gebaut werden.
Die Karriere von E. A.-L. als Tänzerin beginnt im Alter von 16 Jahren in der Schwarzwaldschule, wo sie 1915 debütiert und auch Tanzstunden gibt. Im Mai 1919 hat E. A.-L. ihren ersten öffentlichen Tanzabend im Wiener Konzerthaus. Sie tanzt Strauss-Walzer, Partien aus Schubert-, Chopin- und Offenbachstücken. Beachtlichen Erfolg hat die junge Tänzerin auch mit einer Darbietung des nach dem Ersten Weltkrieg verbotenen Radetzkymarsches, den sie in der Kostümierung eines Gassenbuben tanzt. Ihre Engagements führen sie 1920 nach Paris, 1921 nach Karlsbad und Marienbad, 1922 geht sie auf Tournee nach Zagreb, Triest, Venedig, Portofino und San Remo, sie tanzt an den Münchner Kammerspielen, im Wiener Ronacher, tritt in Cabarets und Nachtlokalen auf. In Nizza hat sie schließlich ein festes Engagement und gibt auch Tanzstunden. Obwohl die Darbietungen von E. A.-L. in verschiedenen Wiener Zeitungen positive Kritiken erhielten, blieb der ganz große Erfolg aus. Das mag auch daran gelegen haben, dass hauptsächlich E. die Finanzierung der Lebenshaltungskosten oblag, so konnte sie bei ihren Engagements kaum wählerisch sein und musste auch die von ihr ungeliebten Tanzstunden geben. 1923 ist E. schließlich erschöpft von der auch körperlich anstrengenden Tätigkeit, sie will Schauspielerin und Sängerin werden und bewirbt sich im Theater an der Wien bei Direktor Hubert Marischka, der ihr einen Zweijahresvertrag gibt und ihr die Soubrettenrolle in „Gräfin Mariza“ anbietet. In den folgenden Jahren hat E. A.-L. einige Erfolge auf der Bühne; ihre PartnerInnen waren Hans Moser, Willi Forst, Karl Farkas und Betty Fischer. Sie war ein gefeierter Bühnenstar der bereits ausklingenden Zeit der Wiener Operette. Ende 1926 bekommt E. A.-L. einen Vertrag für eine Tanzabendserie in Amerika, in dieser Zeit findet die endgültige Trennung von Adolf Loos statt. 1924 stirbt der Vater von E. A.-L., er war um ein Jahr jünger als ihr Ehemann. E. A.-L. baut in den darauffolgenden Jahren eine eigene Tanzgruppe auf. 1933 schließt sie einen Vertrag für eine Tournee in Argentinien ab, im selben Jahr stirbt Adolf Loos und setzt E. zu seiner Universalerbin ein, ein Erbe, das sie nicht antreten kann, da es für sie als Jüdin nicht ratsam ist, aus Argentinien in das faschistische Wien der dreißiger Jahre zurückzukehren. Die Erbschaftsangelegenheit, die sich durch den Zweiten Weltkrieg weiter kompliziert, kann bis zum Tode von E. A.-L. nicht geklärt werden. In Argentinien baut sie sich ein neues Leben auf, zu Beginn der sechziger Jahre schreibt E. A.-L. ihre Erinnerungen an ihre Ehe mit Adolf Loos nieder, das Buch erschien 1968 und in der zweiten Auflage 1984, im Jahr ihres Todes.
Die Memoiren von E. A.-L. „Mein Leben mit Adolf Loos“ enthält nur teilweise Biografisches der Autorin, wichtiger als ihr eigener Lebensweg scheint ihr der ihres berühmten Ehemanns zu sein. Die Jahre nach ihrer Trennung von Loos beschreibt die Autorin überhaupt nicht. Sie zeichnet jedoch ein deutliches Bild des Lebens von Künstlerinnen und Künstlern im Wien der zwanziger Jahre, von denen einige der bedeutendsten ihrer Zeit zum Freundeskreis des Ehepaares Loos zählen, wie zum Beispiel Karl Kraus, Peter Altenberg, Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern. Oskar Kokoschka ist ein besonders enger Freund von Adolf Loos und zeichnet das Bild „Arielse“, ein Portrait von E. A.-L., das er ihr zum Hochzeitsgeschenk macht. Auch das Ehepaar Schwarzwald zählt zu den näheren Bekannten der Loos.
Der offizielle Zeitpunkt der Trennung des Ehepaares Loos ist das Jahr 1926, doch eigentlich ist ihre Ehe schon 1923 zu Ende, zu dem Zeitpunkt an dem Elsie versucht, die Bevormundung durch ihren Mann abzuschütteln Ihre somit eigentlich nur vier Jahre dauernde Ehe ist geprägt von der Abhängigkeit E.s von ihrem um dreißig Jahre ältern Mann. Er bringt sie zum Tanz, er regelt ihre Verträge, sie verdient den Lebensunterhalt. Die Arbeit als Tänzerin ist zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendig, anstrengend und zudem noch schlecht bezahlt. Erst als die junge Frau körperlich überanstrengt ist und Loos ihr bei einem Vorstellungsgespräch über einen Vertrag in Paris Schwierigkeiten macht, versucht sie ihr Leben selbst zu regeln. Sie bezahlt ihrem von ihr getrennt lebenden Mann dennoch die Schulden und sagt sogar 1928 vor Gericht für Adolf Loos aus. Er wird in diesem Prozess beschuldigt, drei minderjährige Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Loos wird von der Anklage der vollbrachten und versuchten Schändung freigesprochen, wegen Verführung zur Unzucht von ihm anvertrauten Kindern allerdings bedingt zu vier Monaten Arrest verurteilt. Über das Leben, das E. A.-L. nach ihrer Emigration nach Argentinien 1933 führt, ist wenig bekannt, ihre Briefe, die sie wegen ihrer Erbschaft aus Buenos Aires nach Wien schreibt, unterzeichnet sie mit „Elsie Loos-Altmann de Gonzalez Varona“; ob das ihr Künstlername ist oder ob sie wieder geheiratet hat, ist aus ihren Briefen nicht ersichtlich. 1980 wird ihr das Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich verliehen. E. A.-L. stirbt am 19. Mai 1984 in Buenos Aires.

Werke

„Mein Leben mit Adolf Loos“ (1984), „Felix Austria. Un Libro de cocina“ (1984)

Literatur / Quellen

Bolbecher/Kaiser 2000, Douer/Seeber 1995, ÖNB 2002, Trapp/Mittenzwei 1999, Wagner 1996, Die Bühne 14.1.1929 Wien, Die Theater- und Kinowoche Wien 23.-31.5.1919, Neues 8-Uhr-Blatt 16.5.1991 Wien, NWJ 2.3.1924, NWJ 12.1.1924

BiografieautorIn:

Karin Nusko