Adler, Emma

Ps. Marion Lorm, geb. Braun, auch Mimi Braun; Parteifunktionärin, Kinder- u. Jugendbuchautorin, Sachschriftstellerin und Übersetzerin
Geb. Debreczin, Ungarn (Debrecen, Hajdú), 20.5.1858 (1859)
Gest. Zürich, Schweiz, 23.2.1935

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Ignaz Braun, k. u. k. Bahnbeamter (Eisenbahningenieur); Mutter: Ida Neubrunn; 6 Brüder (darunter Heinrich: Begründer der „Sozialen Praxis“ und des „Archivs für soziale Gesetzgebung“; Adolf: Redakteur der Berliner „Vorwärts“ und der Wiener „Arbeiter-Zeitung“).
E. B. verbrachte die ersten Jahre ihrer Kindheit in kleinen ungarischen Dörfern. Sie wurde sehr streng erzogen. Durch den Brückenbau im Prater kam die Familie um 1860 nach Wien, wo sie zunächst in der Leopoldstadt und später am Schwarzenbergplatz wohnte. Sie stand zeitlebens im Schatten ihrer Brüder Heinrich und Adolf und wurde von diesen zwar umsorgt und verwöhnt, doch auch oft bevormundet. Der ältere Bruder – Heinrich – fühlte sich sogar für die Wahl ihres Ehemannes verantwortlich. Seine Favoriten waren Friedrich Nietzsche und Victor Adler. Als Ende des vorigen Jahrhunderts schwere Unglücksfälle ihre Familie trafen, half ihr Victor Adler wieder aus der Krise. Sie unterstützte ihren Mann politisch und widmete sich nach dessen Tod seinem Andenken.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1878 Heirat mit Victor Adler (1852-1918), 1888/89 Gründer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, zog mit ihm in das Palais seines Vaters. 3 Kinder: Tochter Marie, genannt Mucki, musste 1897 in eine Nervenheilanstalt gebracht werden (1881-um 1930); Friedrich Adler (1879-1960), Physiker, Sekretär der Sozialistischen Internationale, erschoss 1916 den Ministerpräsidenten Graf Stürgkh, zum Tode verurteilt, begnadigt, 1918 amnestiert (E. A.: „Ich bin nie darüber hinweggekommen, dass mein Sohn einen anderen Menschen getötet hat“); Karl (*1885).
Ausbildungen: E. B. wurde von Hauslehrern und einer französischen Gouvernante in Sprachen, Musik und Literatur unterrichtet.
Laufbahn: Victor Adlers publizistische Tätigkeit, sowie das engagierte Eintreten der beiden für politisch Verfolgte endete schließlich in finanziellen Streitigkeiten mit seiner Familie; sie waren innerhalb kürzester Zeit gezwungen, in eine kleine Wohnung zu ziehen. E. B. trat ab 1886 aktiv für die Sozialdemokratische Partei ein, lehrte im Arbeiterbildungsverein Gumpendorf Englisch und Französisch. Sie nannte sich später „Gefühlssozialistin“. Beherrschte auch Ungarisch, Italienisch und Russisch, übersetzte aus dem Französischen. Viele ihrer Übersetzungen sind in Zeitungen erschienen, unter anderem in der „Gleichheit“ und in der „Arbeiter-Zeitung“. Sie wurde 1890 nach schweren finanziellen Verlusten psychisch krank und musste sich in verschiedenen Sanatorien erholen. Von 1909 bis 1917 hatte E. A. die Redaktion der Jugendbeilage der „Arbeiterinnen-Zeitung“ inne. Als Schriftstellerin wurde sie mit ihrem 1906 erschienenen Buch „Die berühmten Frauen der Französischen Revolution“ bekannt und leistete Pionierarbeit für die Frauengeschichte. Auch im Bereich der Kinderliteratur beschrieb E. A. neue Wege. Sie übersetzte sozialkritische Literatur aus vier Sprachen. Nach dem Tod ihres Mannes versuchte sie mehrmals sich das Leben zu nehmen und wurde in Pflegeanstalten untergebracht. Sie lebte ab 1926 (a. A. 1925, nach dem Tod ihres Gatten) bei ihrem Sohn Friedrich in der Schweiz und war weiterhin als Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Sie begann 1929/30 ihre Erinnerungen niederzuschreiben, denen sie zunächst den Titel „Selbstbiographie“ und später „Verfehltes Dasein“ gab.

Werke

W. u. a.: „Goethe und Frau von Stein“ (1887), „Buch der Jugend. Für die Kinder des Proletariats“ (1895), „Feierabend. Ein Buch für die Jugend“ (1902), „Die berühmten Frauen der Französischen Revolution 1789-1795. Mit 9 Porträts“ (1906), „Neues Buch der Jugend“ (1912), „Erinnerungen 1887-1892-1912 In: Gedenkbuch: 20 Jahre Österreichische Arbeiterinnenbewegung. Im Auftrag des Frauenreichkomitees hg. v. Adelheid Popp“ (1912), „Kochschule“ (1915), „Für die Jugend. Beilage zur Arbeiterinnenzeitung“ (1909-1914)
Ü.: „Goncourt, Edmont de/Goncourt, Jules: Germinie Latereux. Der Roman eines Dienstmädchens, Übersetzung aus dem Französischen“ (1896), „Ivan Sergejevic Turgenew: Gnadenbrot. Schauspiel in 2 Aufz. Zum ersten Male ins Deutsche übertr. von Marion Lorm“ (1897), „Jane Welsh Carlyle. Aus dem Englischen übersetzt“ (1907)

Literatur / Quellen

Tagblattarchiv/AK (Personenmappe); Adler-Archiv, VGA Wien, International Institute of Social History, Amsterdam.

BLÖF, Böck 1996, Buchegger 2002, Ewers/Seibert 1997, Friedrich 1996, Magaziner 1985, ÖNB 2002, Popp 1928, Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982, Tausk 1948, www.onb.ac.at/ariadne/

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