Williams Vera, geb. Maurer; Krankenschwester, Unternehmerin und Funktionärin
Geb. Wien, 17.11.1921
Gest. Wien, 25.2.2012
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Dr. Simon Maurer (geb. 1891 in Tarnopol, Galizien), der eine ärztliche Praxis in Wien 9 hatte, jedoch nach dem „Anschluss“ mit Berufsverbot belegt wurde und nur noch als sogenannter „Krankenbehandler“ für jüdische Patienten tätig sein durfte. 1942 wurde er gemeinsam mit seiner Frau Rudolfine und seinem Sohn Emil in das KZ Theresienstadt deportiert und dort zu ärztlichen Hilfeleistungen verpflichtet. Während Rudolfine und Emil in Auschwitz ermordet wurden, sind über Simons Tod keine näheren Umstände bekannt.
LebenspartnerInnen, Kinder: Harry Williams (1924-1983), alias Harry Wunder, aus Wien, der im britischen Exil von der Special Operations Executive (SOE) angeworben wurde, um im April 1945 über der Rossbachalpe in der Steiermark mit dem Fallschirm abzuspringen. Gemeinsam mit seinem Kameraden Charles Kaiser unterstützte er in den letzten Kriegstagen den lokalen Widerstand in Knittelfeld. Eine Tochter, ein Sohn.
Ausbildungen: V. W. besuchte das Gymnasium in Wien und wollte eigentlich Ärztin werden.
Laufbahn: Im April 1939 gelang es ihr, mit einem über eine jüdische Jugendorganisation erhaltenen Permit nach England zu flüchten. Obwohl nun in Sicherheit, war das Leben für die Tochter aus gutsituiertem Haus mit einem sozialen Abstieg verbunden. Sie musste u. a. als Kindermädchen in Clacton-on-Sea im Osten Englands arbeiten. Nach der britischen Kriegserklärung Anfang September 1939 wurde sie vor eines jener alien tribunals geladen, das die Flüchtlinge je nach Gefährdung für die nationale Sicherheit in verschiedene Kategorien unterteilte. V. wurde als friendly enemy alien eingestuft und konnte daraufhin eine Ausbildung zur Krankenschwester beginnen, die sie später mit einem Diplom abschloss. Dies war mit einem gesellschaftlichen Prestigegewinn verbunden, hatten doch nurses in Großbritannien ein gewisses soziales Ansehen.
1944 heiratete sie Harry Williams, kurz bevor dieser nach Italien verlegt wurde. Damit begann eine Phase der Ungewissheit, denn Agenten des Geheimdiensts SOE durften während des Einsatzes ihren Verwandten keinerlei Nachrichten zukommen lassen. So musste V. bis zum Sommer des nächsten Jahres warten, ehe Harry nach England zurückkam, um schon bald danach wieder versetzt zu werden, diesmal in die britische Besatzungszone Deutschlands, wo er im Rahmen der British Army of the Rhine als Übersetzer eingesetzt wurde. V., mittlerweile Mutter einer Tochter, übersiedelte mit dieser nach Belgien, um leichter Kontakt zu ihrem Mann zu halten.
Nach der Demobilisierung Harrys im August 1947 zog die Familie wieder nach London, wo er in der Privatwirtschaft Fuß fassen konnte. 1960 kam es aus familiären Gründen dann doch noch zu einer – späten – Rückkehr nach Österreich. Wie in anderen gleichgelagerten Fällen, in denen die Lebenspartnerinnen ihr Zufluchtsland nicht verlassen wollten, wäre auch V. gerne in England geblieben, während ihr Mann aus beruflichen Gründen die Triebfeder für die Remigration war, da er von einem Verwandten die Übernahme der Generalvertretung der Schokoladenfirma „Tobler“ in Aussicht gestellt bekam.
Zurück in Österreich, widmete sich V. zunächst der Kindererziehung, nachdem sich die Familie durch einen Sohn vergrößert hatte, engagierte sich daneben aber auch, als sie in ihrer Familie mit einem Fall von Hämophilie konfrontiert wurde, bald im Hämophiliezentrum, das Prof. Erwin Deutsch an der 1. Medizinischen Klinik am Wiener Allgemeinen Krankenhaus eingerichtet hatte. 1970 übernahm sie, von Deutsch ermuntert und gefördert, für dreizehn Jahre die Leitung der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft und vollzog damit den Übergang von der „Ärztegesellschaft zur Patientengemeinschaft“. Nicht zuletzt durch Idee und Organisation von Ferienlagern für hämophiliekranke Kinder gelang es V. W., wesentliche Innovationen vor allem in der praktischen Behandlung dieser meist jugendlichen Patienten zu schaffen und ihnen verbesserte Lebensbedingungen und letzten Endes auch neue berufliche Perspektiven zu bieten. Nach dem frühen und unerwarteten Tod ihres Mannes musste sie dessen Geschäfte alleine weiterführen und sich von ihren sozialen Tätigkeiten zurückziehen.
Qu.: Interview mit Vera Williams, Wien, 13. 2. 2002; IKG, Wien; DÖW, Wien; The Central Data Base of Shoah Victims‘ Names, Yad Vashem, Tel Aviv, Israel; Mitteilung Christine Kanzler, Wien.
L.: Lebensaft/Mentschl 2003, Lebensaft/Mentschl 2010, Zu Gast bei Frau Vera Williams. In: Faktor. Magazin, Juni 2008, S. 4-9 http://www.bluter.at/joomla/new_site/faktor/2008/Faktor2.08.pdf (mit Porträt), In Memoriam. In: ebenda, Juni 2012, S. 2 (mit Porträt)
Elisabeth Lebensaft/ Christoph Mentschl