Ries Teresa Feodorowna (TFR); Bildhauerin, Malerin und Schriftstellerin
Geb. Budapest, Ungarn, 30.1.1866
Gest. Lugano, Schweiz, 16.7.1956

Herkunft, Verwandtschaften, Leben: aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, Eltern: Gutman Ries, Chemiker und Privilegieninhaber für Pestizide, russischer Hoflieferant, und Bertha Ries, geb. Stern. Geschwister: Wilhelm, Louis, Simeon und Julius Ries. Wuchs in Moskau auf. 1885 Heirat mit dem Prager Bierbrauer Ottokar Löwit im Wiener Tempel. Die Ehe hielt nur kurz, Ries kehrte in ihr Elternhaus zurück. Ab 1893/94 lebte die Familie in Wien.
Während des Ersten Weltkriegs lebte TFR in der Schweiz, in der Zwischenkriegszeit unter äußerst prekären Umständen in Wien. 1921 schenkte sie ihre Werke dem jüdischen Nationalmuseum in Palästina, der Transport scheiterte an den hohen Kosten. Die Werke verblieben im Atelier in der Liechtensteinstraße, in dem sich 1938 eine SS-Einheit einquartierte.
1940 änderte sie ihren Namen in Löwitowa, im April 1941 verfasste sie ein Testament, in dem sie festhielt, dass ihr künstlerischer Nachlass nach Palästina gehen sollte, im August 1941 floh sie vor den Nationalsozialisten nach Lugano in die Schweiz. 1943 wurde das Atelier geräumt, ihre bereits beschädigten Werke landeten auf dem Lagerplatz eines Steinmetzbetriebes.
Ab 1946 recherchierte Ries von Lugano aus den Verbleib ihrer Kunstwerke und überließ sie dem heutigen Wien Museum.
Am 16. Juli 1956 verstarb Teresa Feodorowna Ries als Teresa Loevitowa in Lugano.
1964 nahm das Museum der Stadt Wien Nachforschungen bezüglich der Erben auf; der Witwer von Ries’ Nichte erhielt die Gemälde bis auf ein Selbstporträt, die Skulpturen „Somnambule“, „Hexe“, „Eva“ und „Porträt Maria Trebitsch“ blieben in Wien. „Somnambule“ und „Hexe“ wurden 1974 anlässlich der Wiener Internationalen Gartenschau in Oberlaa aufgestellt und später durch Vandalismus beschädigt.
Durch den Erwerb des Nachlasses 2018 angeregte private Forschungen Valerie Habsburgs (TFR Archive) veranlassten die Wiener Restitutionskommission dazu, sich mit diesen Werken zu befassen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen (Stand Februar 2025).
2023 verlieh die Akademie der bildenden Künste Teresa Feodorowna Ries Wien posthum die Ehrenmitgliedschaft. Im selben Jahr wurde die restaurierte „Hexe“ im neu eröffneten Wien Museum aufgestellt.

Ausbildungen: Mädchenpensionat in Moskau, 1890/91 Malereistudium an der Moskauer Schule für Malerei, Bildhauerei und Architektur. In Wien, wo die Familie ab 1893/94 lebte, private Ausbildung zur Bildhauerin bei dem Professor für Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste Wien Edmund Hellmer.

Laufbahn: eigenes Atelier ab 1897, zunächst in der Salmgasse 8 in Wien-Landstraße, ab 1906 in einem Nebengebäude des Gartenpalais Liechtenstein, Wien-Alsergrund. Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Zahlreiche Auftragswerke: Porträts von Politikern, Adeligen und internationaler Prominenz (Mark Twain 1898).

Ausstellungen: 1891–1896 Moskauer Gesellschaft der Kunstliebhaber. 1896 Künstlerhaus in Wien mit „Hexe, Toilette machend zur Walpurgisnacht“ (Durchbruch). 1899–1905 Secession (z.B. 1900 mit „Der Kuss“). 1900 Pariser Weltausstellung mit „Die Unbesiegbaren“ (1928 im Wiener Kongresspark aufgestellt). Ausstellungen mit der von ihr 1901 mitbegründeten Gruppe Acht Künstlerinnen. 1903 und 1910 Internationale Kunstausstellung in Venedig (heutige Biennale), 1908 Münchner Glaspalast. 1911 Internationale Kunstausstellung in Rom, 1913 Internationale Frauenkunst-Ausstellung in Turin.

Lehrtätigkeit: unterrichtete Schülerinnen, von denen bislang nur Elisabeth Bachofen-Echt identifiziert werden konnte. 1931 schlug sie der Akademie der bildenden Künste Wien vor, eine Aktklasse für Frauen und Mädchen mit ihr selbst als Lehrender einzurichten (blieb unbeantwortet).

Ausz., Mitglsch.: Mitbegründerin der Gruppe „Acht Künstlerinnen“. 1897 Karl-Ludwig-Medaille für „Luzifer“, 1900 Officier de l’Académie für die in Paris gezeigte Gruppe „Die Unbesiegbaren“, 1907 Accademia di Belle Arti Ravenna.

Qu.: ANNO – Zeitschriftendatenbank der Österreichischen Nationalbibliothek; Archiv des Bundesdenkmalamts; Archiv des Präsidiums der Russischen Akademie der Künste; Archivio dell’Accademia di Belle Arti di Ravenna; Circondario dello Stato Civile di Lugano, No. 167 (Sterberegister); Israelitische Kultusgemeinde Wien; Jüdische Kultusgemeinde Budapest; Niederösterreichisches Landesarchiv; Österreichische Nationalbibliothek – Sammlung von Handschriften und Drucken; Russisches Staatsarchiv für Literatur und Kunst; TFR Archive (Valerie Habsburg); Universitätsarchiv und Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien; Wien Museum, Wiener Stadt- und Landesarchiv

W.: Zahlreiche Monumentalwerke, z.B. „Eva“, „Hexe“ (im Wien Museum), „Marie Trebitsch“, „Somnambule“ (im Wien Museum) und Porträtarbeiten. Autobiografie „Die Sprache des Steines“ (Wien 1928). Auftragswerk „Die Textilindustrie“ für die Wiener Börse (zerstört beim Brand 1956)
L.: Sabine Fellner, „Schade, daß sie in dem Wahne lebt, Männerarbeit tun zu wollen, dafür ist sie nicht geboren.“ Teresa Feodorowna Ries, in: Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938, hg. v. Andrea Winklbauer u. Sabine Fellner, Wien 2016 (Kat.); Valerie Habsburg, The Sculptor Teresa Feodorowna Ries and Her Private Archive, in: Sztuka i Dokumentacja nr 21, 2019, S. 133ff; Ulrike Hirhager, Die Bildhauerin der High Society des Fin de Siècle – Teresa Feodorowna Ries, in: Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖBL), Biographie des Monats Jänner 2024, https://www.oeaw.ac.at/acdh/oebl/biographien-des-monats/2024/jaenner; dies., Teresa Feodorowna Ries, Bildhauerin: Porträtistin der Wiener High Society, Lehrerin und Salonière. In: Judith Augustinovic, Valerie Habsburg: zwischen den zeilen | die zeilen dazwischen, 2024, S. 23–39; Sabine Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich 1897–1938, 1994; dies., Zur Emigration bildender Künstlerinnen aus Österreich, in: Frauen im Exil, hg. v. Siglinde Bolbecher, 2007, S. 52ff.; Ada Raev, Russische Künstlerinnen der Moderne (1870–1930), 2002, S. 216ff.; Restitutionsberichte des Wien Museums 2019, 2021, 2022, https://www.wienmuseum.at/provenienzforschung; Silvia Schmidt, Die Bildhauerin und Malerin Teresa Feodorowna Ries (1866–1956). Jugendliches Ausnahmetalent oder geniale Selbstdarstellerin?, Masterarbeit Wien, 2021; Thomas Trenkler, Artikelserie im Kurier, 17., 21., 31.12.2023; Thieme-Becker

Autorin der Biografie: Ulrike Hirhager