Klein Melanie, geb. Reizes; Psychoanalytikerin
Geb. Wien, 30.3.1882
Gest. London, Großbritannien, 22.9.1960
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Moritz Reizes (1828-1900), Arzt u. Talmudschüler; Mutter: Libussa, geb. Deutsch (1852-1914); Großvater: Rabbiner. Die Eltern bemühten sich, die orthodox-jüdischen Traditionen hinter sich zu lassen. M. K. wächst ohne Bezug zum Judentum auf.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1903 Heirat mit Arthur Klein, Trennung; 3 Kinder: Melitta (*1904), Hans (1907-1934) und Erich (*1914); von den 1940er Jahren bis zu M. K.s Tod 1960 erbitterte Feindschaft ihrer Tochter Melitta Schmiedeberg, ebenfalls Psychoanalytikerin, von M. K. als große Kränkung erlebt.
Ausbildungen: Ab 1899 Studium der Kunst und Geschichte, ohne Abschluss; Psychoanalyse bei Sandor Ferenczi (Budapest), Lehranalyse bei Karl Abraham (Berlin).
Laufbahn: Nach ihrer Heirat zieht M. K. nach Rosenberg, dann nach Budapest, wo sie mit Schriften Sigmund Freuds in Berührung kommt und in Therapie zu einem von dessen engsten Freunden, Sándor Ferenczi, geht. Dieser ermutigt sie, selbst als Psychoanalytikerin tätig zu werden, sie beginnt mit der Analyse ihrer eigenen Kinder. Durch ihre Aufnahme in die „Ungarische Psychoanalytische Vereinigung“ erhält sie 1919 offiziell die Anerkennung als Psychoanalytikerin. M. K. beschäftigt sich vor allem mit der frühkindlichen Persönlichkeitsentwicklung und entwickelt in der praktischen Arbeit eine Spieltherapie, in der sie jede Aktion des Kindes als eine Symbolhandlung auffasst und diese Symbole deutet und aufklärt. Die berufliche Karriere ihres Mannes führt M. K. 1921 nach Berlin und zu Karl Abraham. Nach dem Scheitern der Ehe ist M. K. gezwungen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und arbeitet als Psychoanalytikerin auch mit anderen Kindern. Sie schreibt mehrere Artikel und erhält Eintritt in die „Berliner Psychoanalytische Vereinigung“. Innerhalb der Vereinigung stößt ihre theoretische Arbeit zunehmend auf Kritik, gegen die sie Karl Abraham bis zu seinem Tod 1925 zu bewahren sucht. Eine von Ernest Jones organisierte, sehr erfolgreiche Vortragsreihe M. K.s in England ermöglicht es ihr, 1926 von Berlin nach London zu wechseln. Die „British Psycho-Analytical Society“ nimmt sie als Mitglied auf und M. K. gibt dieser durch ihre theoretische und praktische Arbeit ihr eigentliches Profil. Erst der Streit mit der kinderanalytischen Schule Anna Freuds 1927 stellt ihre herausragende Position innerhalb der Gesellschaft in Frage. Jede der beiden Frauen gründet ein eigenes Ausbildungsinstitut mit eigenen Richtlinien − M. K. die Tavistock-Klinik und Anna Freud die Hampstead-Klinik −, eine Spaltung der psychoanalytischen Bewegung wird so verhindert. In letzter Zeit werden ihre Ansichten auch von „Nachkommen“ früherer Gegner als anregend angesehen und schulenübergreifend weitergeführt. M. K. trug mit ihren Schriften wesentlich zur Entwicklung der modernen Psychoanalyse und insbesondere zur Ausbildung der Objektbeziehungstheorie bei.
Qu.: Melanie-Klein-Trust, London.
W. u. a.: „Aus dem infantilen Seelenleben. Der Familienroman in statu nascendi. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse“ (1920), „Eine Kinderentwicklung. In: Imago 7” (1921), „The Importance of Symbol-Formation in the Development of the Ego. In: Intern. J. Psychoanal. 11“ (1930 dt: Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung. In: Int. Ztschr. Psychoanal. 16, 1930), „Frühe Angstsituationen im Spiegel künstlerischer Darstellungen. In: Int. Ztschr. Psychoanal. 17“ (1931), „The Psycho-Analysis of Children” (1932. dt: Die Psychoanalyse des Kindes. 1934), „Gem. mit Joan Riviere: Love, Hate and Reparation” (1937. dt: Seelische Urkonflikte. Liebe, Hass und Schuldgefühl. 1937/1974), „Narrative of a Child-Analysis” (1961 dt: 1975), „The Writings of Melanie Klein. Vol. I: Love, Guilt and Reparation and Other Works, 1921-1945; The Psychoanalysis of Children; Vol. III: Envy and Gratitude and Other Works, 1946-1963; Vol. IV: Narrative of a Child Analysis. Ed. R. E. Money-Kyrle, B. Joseph, E. O’Shaugnessy & H. Segal” (1975), „Frühstadien des Ödipus-Komplexes. Frühe Schriften 1928-45“ (1985), „Gesammelte Schriften. Drei Bände“ (2000)
L.: Bott Spilius 1990/91, Dick/Sassenberg 1993, Frank 1999, Gast 2002, Grosskurth 1993, Mühlleitner 2002, Olvedi 1992, Peters 1992, Segal 1974, Stephan 1992