Katharina von Werdenberg; Landesherrin

Geb. um 1395

Gest. vermutl. 1440

K. Gräfin v. W., lat. Catharina comitissa de Werdenberg, zuweilen auch Katherin genannt, ist 1415 bis 1439 urkundlich bezeugt. Sie nennt sich auch nach ihrem Ehemann Catharina Grauin von Monsax oder frow Katherin[en] von Sax von Monsax. Ihre Geburtsdaten sind unbekannt. Sie ist anlässlich ihrer urkundlichen Ersterwähnung am 1. Dezember 1415 bereits verheiratet, sodass sie wohl um 1395, jedenfalls vor 1400 geboren wurde. Auch die genauen Sterbedaten sind unbekannt. K. lebte noch am 21. Dezember 1439, als ihr Sohn Heinrich in ihrem Namen siegelte. Vielleicht ist sie nach einer Vermutung Rollers Anfang 1440 gestorben.

K. war die vierte Tochter des Grafen Albrecht III. von Werdenberg-Heiligenberg zu Bludenz und der Ursula Gräfin von Schaunberg. Als Kind erlebte sie mit ihren Schwestern Verena und Margaretha unruhige Jahre, als ihre Familie 1405 vor der Bedrohung durch die Appenzeller über den Flexenpass in das sichere montfortische Schloss Rothenfels im Allgäu geflohen war. Nach dem Friedenschluss 1408 kehrte sie wieder nach Bludenz zurück.

K. war verheiratet mit dem Grafen Hans von Sax-Misox. Dieses Geschlecht saß seit 1371 auf Schloss Belmont (Kanton Graubünden). Hans von Sax-Misox war zugleich Herr in Ilanz, in der Grub, Lugnez, Vals, Kästris und Flims. Er war auch Herr im Misox (Mesocco) und hatte einen Anteil an Bellinzona (Kanton Tessin). Graf Hans von Sax war eine eindrucksvolle Persönlichkeit, dessen Spuren noch heute erhalten sind. Er fand seine Grabstätte in der Kirche St. Georg von Kästris bei Ilanz. Auf der in die Wand eingelassenen Grabtafel in gotischem Stil befindet sich sein Wappen mit der Inschrift: anno d[o]m[ini] milesimo cccc° xxvii° oby[t] d[omi]n[u]s ioh[a]ñes comes de saxo ultima feria sexta mai (Im Jahre des Herrn 1427 starb Herr Johannes, Graf von Sax, am letzten Freitag des Mai). Die Grafenkrone erinnert daran, dass er und sein Bruder Donat die ersten ihres Geschlechts waren, die den Grafentitel führten.

K. hatte aus ihrer Ehe mit Hans von Sax-Misox zwei Söhne und zwei Töchter: Heinrich von Sax-Misox, erw. 1427-1493, † in Chur 1488; er schloss wiederholt Bündnisse mit dem Herzog von Mailand; Hans von Sax-Misox (d. J.), erw. 1431-1479; die beiden Töchter Verena (†1487) und Elisabeth (†1465) wurden Stiftsdamen in Zürich. K. war durch den Tod ihres Mannes früh Witwe geworden. Die junge Witwe K. genoss das Wohlwollen des Herzogs Francesco von Mailand, der am 10. Dezember 1427 ihre Söhne im Friedensvertrag mit Savoyen, Venedig und Florenz als seine Verbündeten bezeichnete. Beim Anfall des Toggenburger Erbes in den Jahren 1436/37 war K. zwar unmittelbar beteiligt, war auch, um sich gegen die Ansprüche von Zürich zu wehren, am 11. April 1437 in ein Landrecht mit Schwyz und Glarus eingetreten, überließ aber die Geschäfte im Wesentlichen ihrem ältesten Sohn Heinrich von Sax-Misox. Dieser war es auch, der am 9. November 1437 zu Feldkirch mit andern toggenburgischen Erben die Burg Grynau dem Lande Schwyz schenkte. Am 25. Mai 1437 verpfändete Heinrich von Sax namens seiner Mutter seinen Anteil an der Grafschaft Uznach an Schwyz und Glarus. Bei der Erbteilung am 14. November 1437 erhielt K. mit ihrem Schwager Wilhelm V. von Montfort, die Gerichte im Prättigau (Davos, Belfort usw.), doch verzichtete sie durch ihren Sohn Heinrich am 8. September 1439 auf ihren Anteil zugunsten des Montforters. Es herrschte stets größte Einvernehmlichkeit zwischen Mutter und Sohn Heinrich. Gelegentlich bediente sich K. auch eines von ihr selbst gewählten Vormundes, etwa 1438 des angesehenen Heinrich von Lumbrins (†1445), der wiederholt Landvogt in Lugnez war und 1429 die Herrschaft Löwenberg aus Werdenberger Besitz für sich käuflich erworben hat.

K. erscheint in der auf Schloss Werdenberg am 1. Dezember 1415 ausgestellten Urkunde, mit der Graf Wilhelm V. von Montfort betreffend Alt- und Neuschellenberg erklärt, dass er diese Burgen und Herrschaften unter Vorbehalt des Rückkaufs von seinem Schwiegervater Albrecht III. gekauft habe, dass dieser ein Rückkaufsrecht als Mitgift seinen Töchtern K. und Margaretha übergeben hat. Man darf vermuten, dass K. damals persönlich auf Schloss Werdenberg anwesend gewesen ist. Am 24. Juni 1427 verzichtete K. mit ihren vier Schwestern auf die Herrschaft Bludenz und das Tal Montafon zugunsten von Erzherzog Friedrich von Österreich, der ihnen den Rest des Kaufschillings mit 4.000 Gulden bezahlt habe. Mit einem „Wehrbrief“ vom 10. April 1434 versprechen die Gräfin K. und ihre beiden Söhne Heinrich und Hans ihrem Schwager Wolfhart V. von Brandis, ihn gegen die von ihrem Schwager Wilhelm V. von Montfort gerichtlich geltend gemachten Ansprüche an den ihm verkauften Anteil der Burgen Alt- und Neuschellenberg zu unterstützen. Wilhelm V. von Montfort hatte die Angelegenheit vor den Reichstag in Basel gebracht; er befand sich dabei in der Gesellschaft des Eberhard von Kirchberg, des Ehemanns der Agnes von Werdenberg. Hier deutet sich ein Konflikt an, in dem Verena und K. gemeinsam gegen ihre Schwestern Kunigunde und Agnes standen. Doch einigten sich am 27. Juni 1437 Wolfart von Brandis und seine Gemahlin Verena gemäß dem Entscheid eines Berner Schiedsgerichts mit Wilhelm V. und seiner Gemahlin Kunigunde über deren Fünftel Anteil an Schellenberg, indem sie 1.000 Gulden dafür bezahlten. Schließlich traten auch Margaretha und ihr Ehemann Thüring von Aarburg ihr Fünftel ab, sodass Wolfart von Brandis die ganze Herrschaft Schellenberg in seiner Hand vereinigen konnte. Mit dem ihr 1427 zugefallenem Erbe ihres Mannes und dem Toggenburger Erbe 1437 war K. mit ihrem Sohn Heinrich 1437 in die Rolle einer Landesherrin hineingewachsen, allerdings nur für kurze Zeit; denn sie und ihr Sohn Heinrich schieden schon bald infolge Auskaufs ihrer Rechte aus der Mitregierung aus. K. hat aber ihre kurze Regierungszeit durch die Gewährung von Freiheitsbriefe an die Untertanen für Maienfeld 1438 und Misox 1439 wahrgenommen. Ein Siegel der K. hat existiert, ist aber verloren. Der genannte Wehrbrief vom 10. April 1434 wurde von K. und ihrem Sohn Heinrich besiegelt; doch ist ihr Siegel verloren. Ihr Siegel war ein Allianzsiegel, es hing auch an der Urkunde vom 5. Februar 1438.

Eine Jahrzeitstiftung für K. konnte bisher nicht gefunden werden, auch nicht für ihren Ehemann Johann von Sax-Misox. Dieser hatte jedoch vor 1406, wie allerdings erst 1540 erwähnt wird, gemeinsam mit seinen Brüdern Heinrich († nach 1423) und Donat (†1406), auf dem Frauenaltar der Kirche in Kästris mit den Erträgnissen von vier Höfen eine ewige Messe gestiftet, die als Jahrzeitstiftung angesehen werden kann, zumal Graf Johann auch in dieser Kirche bestattet wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass auch K. hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Darauf deutet die mit Eisenringen versehene und damit bewegliche Bodenplatte hin.

K. ist die einzige unter den fünf Schwestern, der bisher eine biographische Skizze, wenn auch nur im Umfang von knapp 1 1/2 Seiten gewidmet wurde. Durch ihre Heirat hatte sich für K. eine neue Welt im sonnigen Süden eröffnet, im italienischsprachigen Misox (Mesocco) und im Tessin. Auf Schloss Belmont und in der stark befestigten Burg Misox, die 1526 von den Bündner zerstört wurde, hatte sie eine neue Heimat gefunden. Ihr Sohn Heinrich war in erster Ehe mit einer Italienerin verheiratet. K. war 1427 früh zur Witwe geworden. In ihrem Sohn Heinrich, dem sie die Geschäfte überließ, hatte sie eine wertvolle Stütze, stand aber keineswegs unbeteiligt beiseite, sondern nahm stets regen Anteil an der Verwaltung ihrer Besitztümer, namentlich auch nach dem Anfall des Toggenburger Erbes an der fortschrittlichen Ausgestaltung der Freiheitsrechte der Untertanen in Maienfeld (1438), aber auch im Misox (1439). Sie musste allerdings in der Blüte ihrer Jahre mit etwa 45 (vielleicht 50) Jahren aus dem Leben treten und konnte so den erfolgreichen Ausbau der Freiheitsbewegung nicht zu Ende mit verfolgen. In ihrer Nachkommenschaft finden wir auffallend viele geistliche Personen. Zwei Töchter und eine Enkelin waren Stiftsdamen in Zürich, ein Enkel und zwei Urenkel Konventualen im Benediktinerstift Einsiedeln und Pröpste in St. Gerold. Ein weiterer Enkel, Kaspar von Sax, ein illegitimer Sohn Heinrichs, der von Diepold Schilling mit dem Markenzeichen eines thorechten Manns versehen wurde, tauschte die ihm von seinem Vater übergebene fette Pfründe im Lugnetz gegen eine Laute ein; er ging nach dem Verkauf von Werdenberg nach Luzern, wo er 1484-1493 als Kaplan in Ettiswil (Amt Willisau, Kanton Luzern) und Ruswll (Amt Sursee, Kanton Luzern) wirkte. K.s Sohn Hans werden für das Jahr 1458 Aspirationen auf den Churer Bischofsthron nachgesagt; doch auch er heiratete später. Wären diese Pläne in Erfüllung gegangen, so wäre K. nach Verena von Brandis als zweite Schwester Mutter eines Bischofs von Chur gewesen.

L.: Burmeister 2009, Kuhn 1986, Liebeneau 1889, Liesching 1982, Mooser 1905, Roller 1900-1908, Vanotti 1845 (mit falscher genealogischer Einordnung)

 

Karl Heinz Burmeister